: Ist Willemsen fahnenflüchtig?
■ Mutmaßungen der WDR-Spitze über Moderatoren-Verlust
Ist WDR-Intendant Friedrich Nowottny ein schlechter Verlierer? Der WDR-Regent unterstellt Roger Willemsen, der die geplante Sendung „No talk“ zwei Wochen vor ihrem Start wegen unzulänglicher Rahmenbedingungen beim Kölner Sender geschmissen hatte, er sei in Wahrheit mit dem „Erfolgsdruck“ nicht fertig geworden. Während sich nach dem überraschenden Absprung des Edel-Talkers zunächst beide Seiten auf Stillschweigen verständigt hatten, kam Nowottny hinter den verschlossenen Türen des WDR- Programmausschusses noch einmal auf den Fall zu sprechen: „Die ausführlichen Presseankündigungen“, so wird der Intendant protokolliert, hätten „einen enormen Erfolgsdruck auf Herrn Willemsen“ ausgeübt. Er habe sich „diesem Druck durch Flucht entzogen“. Willemsens Kritik an der mangelnden Kooperationsbereitschaft innerhalb des WDR, wo er angeblich bereits bei der Nutzung des Archivs auf Blockaden der Bürokratie stieß, konterte Nowottny: Er könne „nicht alle einzelnen Mitarbeiter anweisen, sich intensiv um Herrn Willemsen zu kümmern“. Die Art der Betreuung, die der prominente Frager bei „einem Kleinbetrieb wie Premiere“ erfahren habe, könne „kein Maßstab für den WDR sein“, heißt es in dem der taz vorliegenden vertraulichen WDR-Protokoll.
Obwohl der WDR-Intendant Willemsens wahre Gründe für seinen überraschenden Absprung längst durchschaut haben will, kündigte er nach einer Befragung im Programmausschuß an, daß er die Direktoren beauftragt habe, „den Fall zu untersuchen, um die einzelnen Probleme herauszufinden“.
Der von der WDR-Hauszeitschrift print noch im April als „neues Zugpferd“ präsentierte Willemsen hält die Erklärung des Kölner Senders, bei der Realisation von „No talk“ habe es schließlich „Produktionszwänge und daraus resultierende Finanzierungsfragen“ gegeben, für ein Alibi-Argument. Der WDR habe der geplanten Reihe nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet und nach und nach immer mehr Abstriche gemacht. So sei unter anderem die Zusage nicht eingehalten worden, statt eines Studios einen Raum außerhalb des WDR bereitzustellen. Darüber hinaus habe ein Großteil der als Live-Show konzipierten Sendereihe aufgezeichnet werden sollen. Johannes Nitschmann
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen