piwik no script img

The smoke empire strikes back Von Andrea Böhm

Das Leben ist eines der schwersten – vor allem für Raucher. Was einst als Duft von Freiheit und Abenteuer aus sonnengegerbten Cowboy-Gesichtern quoll, gilt heute zwischen Los Angeles und New York als Teufelszeug, dessen Gefährlichkeit irgendwo zwischen Plutonium und Klapperschlangen angesiedelt wird. Ehrlich gesagt: Mir kann's eigentlich egal sein. Ich rauche nicht. Und aus einer New Yorker, Chicagoer oder Washingtoner Kneipe herauszukommen, ohne zu riechen wie nach einem Bad im Aschenbecher, finde ich eher angenehm. Trotzdem tun mir die Raucher in den USA manchmal leid: Im Restaurant werden ihnen die Plätze neben der Toilette angewiesen; in Großraumbüros müssen sie sich für die Pausenfluppe bei Wind und Wetter vor der Eingangstür zusammenkauern; im Flugzeug herrscht Rauchverbot, im Greyhound-Bus, auf der Post und sogar im Weißen Haus. Selbst die Filmgesellschaften in Hollywood haben sich dem gesellschaftlichen Druck gebeugt: Ihre Helden in den TV-Serien dürfen zwar weiterhin Berge von Leichen produzieren, aber keine Kippen.

Inzwischen ist die amerikanische Bundesumweltbehörde auch noch zu dem Schluß gekommen, daß passives Rauchen Lungenkrebs hervorruft, was jeden Raucher in die Nähe eines Terroristen rückt. Die Entzugsindustrie ist deshalb eine Boom-Branche: Die einen versuchen es mit rauchlosen Zigaretten, die anderen mit Nikotinpflastern, die dritten mit Akupunktur, wieder andere unterwerfen sich einem rigiden Fitness-Training.

Einige der Nikotin-Junkies, darunter ein gewisser Al Deskiewicz aus Seattle, sind nun auf die Idee verfallen, die Zigarettenfirmen zu verklagen – auf Schadensersatz. Mister Deskiewicz ist dabei noch recht bescheiden: Er will von Marlboro-Hersteller Philip Morris und seinem „Minister für Zukunft“ bloß die 1.153 Dollar wiederhaben, die er bei Arztbesuchen für seine Läuterung zum Nichtraucher bezahlt hat. Philip Morris habe schon immer gewußt, daß Zigaretten süchtig machen, argumentiert Deskiewicz. Deshalb müsse ihm das Unternehmen jetzt zumindest die Entzugskosten zurückzahlen. Die Argumentation von Mister Deskiewicz erinnert ein wenig an jene Anekdote, wonach vor Jahren eine Frau die Hersteller ihres Mikrowellenherdes verklagen wollte, weil die sie in der Betriebsanleitung nicht davor gewarnt hatten, daß solche Geräte nicht zum Trocknen ihres nassen Hundes geeignet sind. Aber das Klagen auf Schadensersatz ist ein beliebter amerikanischer Sport. Die Summe von 1.153 Dollar würde Philip Morris zwar ökonomisch kaum tangieren, doch wenn das Beispiel Schule macht, wird nicht das Rauchen teuer, sondern das Herstellen von Zigaretten. Aber: The smoke empire strikes back. Was Al Deskiewicz kann, kann Philip Morris schon lange: Die Firma hat jetzt die Umweltbehörde verklagt, um deren Bericht über passives Rauchen für „null und nichtig“ zu erklären. Dafür reichen sich nun sogar zwei Giganten die Hände, die sich auf dem Zigarettenmarkt ansonsten bis aufs Messer bekämpfen: An der Seite von Philip Morris klagt auch der Konkurrent RJR Nabisco. Der „Marlboro“-Cowboy reitet auf „Camel“ zum Gericht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen