: Großer Bruder aus Leipzig
■ In Sachsen starten NRJ und Gong lokale Radiostationen
Dresden (taz) – Der Gong Verlag, bislang in Bayern mit drei Lokalsendern vertreten, und Nouvelle Radio Jeunesse (NRJ), eine Gruppe, die in Frankreich und Belgien rund 150 Lokalstationen betreibt, starten jeweils eine Hörfunkkette in sächsischen Großstädten. Wenn morgen die „Elbwelle Dresden“ auf Sendung geht, sind in Chemnitz, Leipzig und an der Elbe neben den bisherigen beiden landesweiten Privatsendern „Antenne Sachsen“ (u.a. Holtzbrinck) und „Radio PSR“ (u.a. Springer) jeweils noch zwei Lokalstationen zu empfangen. Der Gong Verlag darf zusätzlich in Löbau „Radio Lausitz“ verbreiten.
Lokal ist allerdings ein weiter Begriff, werden doch sowohl NRJ als auch die Gong-Sender jeweils mit einem zentral gesteuerten Mantelprogramm betrieben. Im Falle von NRJ heißt das, „Energy für Sachsen“ sitzt in Leipzig und bringt 18 Stunden Neuigkeiten und Musik für die Zielgruppe von 15 bis 30 Jahren. Das Mantelprogramm gehört zu hundert Prozent der NRJ-Gruppe, die auch in Berlin ein „Radio Energy“ betreibt. Bei den Lokalsendern muß sich NRJ mit lediglich 33 Prozent zufriedengeben. Doch selbst wenn die sächsischen Lokalsender ihrer sechsstündigen lokalen Sendepflicht nachgehen, hat der große Bruder aus Leipzig seine Finger am Regler.
Auch die Buchhaltung ist in Leipziger Hand, da kann dann gar nichts mehr schiefgehen. Selbstverständlich bilden alle drei Sender auch einen „Werbeverbund“. Der soll zunächst mittelständische Kunden ansprechen und „später dann auch die nationale Wirtschaft“. NRJ hat sich drei Jahre Zeit gegeben, um schwarze Zahlen für Sachsen zu schreiben. Der Start im Osten wird als „Einstieg in den deutschen Markt“ betrachtet.
Der Berliner Ableger ist Nachfolger des alternativen Radio 100, das nach einem Konkurs übernommen wurden. Bei derartig guten Erfahrungen mit dem Alternativfunk verwundert es nicht, daß NRJ mit der Existenz eines Dresdner Alternativsenders auf seiner Elbfrequenz „keinerlei Probleme hat“. „ColoRadio“ sendet wöchentlich donnerstags von 20 bis 24 Uhr auf der Frequenz 100,2 MHz. Rechtlich sind sie ein Bestandteil des Dresdner Senders, inhaltlich, finanziell und programmatisch aber das genaue Gegenteil. Die 15 MacherInnen des „ColoRadio“- Programms verstehen sich als Bestandteil der freien Radioszene. Einen ersten Erfolg können sie verbuchen: Der Versuch von „Energy Dresden“, Live-Sendungen im vorhinein zu unterbinden, konnte mit Hilfe der sächsischen Medienkontrolleure verhindert werden. Nun steht dem Start von „ColoRadio“ am 8. Juli nichts mehr im Wege. Martin Busche
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