UKE: Versuchstier Mensch

■ Strahlentote nun auch in der UKE-Frauenklinik / Keine Konsequenzen aus dem Bernbeck-Skandal gezogen /    Von Sannah Koch

An den Folgen der strahlentherapeutischen Behandlungen im UKE scheinen mehr Menschen gestorben zu sein als bisher angenommen. Nach Informationen der NDR-Hamburg-Welle starb eine Frau im August 1992 an den Folgen einer zu aggressiven Strahlentherapie, die im Jahr 1991 in der UKE-Frauenabteilung vorgenommen worden war. Namhafte Krebsspezialisten hätten eine „exorbitant hohe Strahlendosis“ und „Behandlungsfehler“ attestiert.

In den vergangenen Wochen war die strahlentherapeuthische UKE-Abteilung in Verdacht geraten, zwischen 1987 und 1990 durch eine, zumindest am UKE nicht erprobte Methode bei DarmkrebspatientInnen erhebliche Strahlenschäden verursacht zu haben. Die bislang bekannte Zahl der 123 StrahlenpatientInnen wurde inzwischen auf 134 korrigiert.

Verpfuscht, verhöhnt und fehlinformiert fühlten sich die rund 50 Betroffenen, die sich am Dienstag abend auf Einladung der Patienteninitiative zu einem Treffen in der AOK-Zentrale in Eilbek einfanden. Sie leiden heute nicht mehr an Krebs, sondern an den Folgen der Bestrahlung. „Ich wurde 1988 wegen Gebärmutterkrebs bestrahlt“, berichtete eine Frau. Man habe ihr im UKE von einer Operation abgeraten und diese „sanftere Methode“ nahegelegt: „In dem Formblatt war die Rede von Nebenwirkungen, die gleich nach der Behandlung wieder abklingen würden.“ Doch ein dreiviertel Jahr später mußte ihr ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Der Chirurg habe ihr damals mitgeteilt: „Ihr Darm ist völlig verbrannt, sie sind offenbar zu hoch bestrahlt worden.“

Deutlich wurde aus allen Betroffenberichten, daß die Aufklärung der UKE-Ärzte über die Art und die möglichen Folgen der Bestrahlung völlig unzureichend war. Auch daß es sich um keine erprobte Standardthearpie gehandelt hat, ist den PatientInnen offenkundig damals nicht mitgeteilt worden. Als „eindeutig rechtswidrig“ bezeichnet Patientenanwalt Wilhelm Funke diesen Aufklärungsmangel. Solche Behandlungen könnten als Körperverletzung eingestuft werden. Die Chance, daß Betroffene Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend machen können, ist nach seiner Einschätzung hoch. Er fordert die Strahlen-Opfer auf, ihre Rechtsansprüche auf Einsicht in ihre vollständige Krankenakte einzulösen.

Funke appelliert außerdem an die Wissenschaftsbehörde, dafür zu sorgen, daß bei den Fällen keine Verjährung eintritt: „Dieser offensichtliche Serienschaden darf nicht durch Gerichtsverfahren verschleppt werden.“ Wie im Fall der Bernbeck-Opfer müsse ein außergerichtliches Entschädigungsverfahren ermöglicht werden.

Kerstin Hagemann, Mitbegründerin der Patienteninitiative und selber Bernbeck-Opfer, beklagte, daß sich auch nach dem Bernbeck-Skandal und trotz des Parlamentarischen Untersuchungsauschuß nichts geändert habe. „Die vom Parlament geforderten Qualitätskontrollen finden nicht statt, die Betriebshaftpflichtversicherung für die Mitarbeiter der Krankenhäuser wurde nicht abgeschlossen und das UKE hat die Schlichtungsstelle in Hannover nicht anerkannt“, so Hagemann. Auch die Ärzte hätten offensichtlich nichts aus dem Skandal gelernt. „Viele wußten um die Mißstände in der UKE-Radiologie, aber kein Arzt hat Alarm geschlagen“ so ihre Kritik.

Um den Betroffenen finanzielle Hilfe zu bieten, hat die Patienteninitiative einen Rechtshilfefonds (Sonderkonto Strahlenopfer, Nr. 646464-204, PGA Hmb, BLZ 20010020) eingerichtet, in den auch die Behörde 100.000 Mark einzahlen soll. Deren Sprecher Jenspeter Rosenfeldt winkte gestern jedoch ab: „Unser Klageweg ist vernünftig, zudem bekommen die Patienten von uns die Gutachten kostenlos erstellt.“ Die neutralen Strahlenexperten würden zunächst bis Mitte August die Krankenakten bewerten. Derweil prüfe die Behörde die Möglichkeiten der Schadensregulierung und die Frage, inwieweit nachbehandelnde Ärzte zu einer Rückmeldung über Spätfolgen verpflichtet werden könnten. Eine Überprüfung der UKE-Bestrahlungsgeräte, so Rosenfeldt, habe keine Schäden ergeben.

Nächstes Treffen der Strahlen-Opfer: 11.8., 17 Uhr, AOK-Gebäude, Pappelallee 22-26