piwik no script img

Für BRD-Bürger unzumutbar

■ Flüchtlingsrat fordert Auflösung der Containerdörfer Dradenau und Waltershof / Asylbewerberzahl nimmt nicht ab     Von Kaija Kutter

Verwirrung beim Thema Asylbewerber. Welches Gesetz greift wie wo wann, wer ist zuständig, wieviele kommen noch, und wo wohnen sie? Die Zahlen stimmen schon mal nicht. „Der Asylstrom ebbt ab“, war eine verfrühte Jubelmeldung. 730 Menschen kamen in den ersten drei Juliwochen. Das sind mehr und nicht weniger als die 410 im Vormonat.

Trotzdem plant die Sozialbehörde, fünf Containerdörfer zu schließen. Die falschen, wie der Hamburger Flüchtlingsrat meint. Statt der Simrockstraße im feinen Blankenese müßten zuallererst die Notunterkünfte an der Waltershoferstraße und am Dradenau-Klärwerk geräumt werden. Knapp 500 Flüchtlinge leben hier seit Ende November unter „menschenunwürdigen Bedingungen“, wie jüngst der Flüchtlingsrat in einem Offenen Brief anprangerte. Beide Containerdörfer liegen fern ab, die Menschen müssen nachts um 2 Uhr den Nachtbus nehmen, um morgens bei der Ausländerbehörde vorzusprechen, öffentliche Telefone und Einkaufsmöglichkeiten sind nicht vorhanden. Die Waltershoferstraße ist von Autobahn und Schnellstraße umzingelt. Auf dem Gelände, das am Rande der mit giftigen Schwermetallen belasten Spülfelder liegt, leben auch über 50 Kinder. Noch absurder die Lage der Menschen an der Dradenaustraße. Hier stehen die Blechkästen auf einem Gelände, das vom Klärwerk Dradenau, der Autobahn A7, einem HEW-Umspannwerk und den Hamburger Stahlwerken eingekreist ist. „Dort, wo man für BRD-Bürger keine Wohnungen bauen darf, werden Flüchtlinge schutzlos in der Pampa ausgesetzt“, kritisiert Hans-Hermann Teichler vom Flüchtlingsrat. Die Umgebung, die mit rötlich braunem Industrie-Staub eingefärbt ist, sei nicht einmal als Provisorium geeignet.

Das sieht Günther Frank von der „AG Unterbringungkapazitäten“ der Sozialbehörde anders. Containerdörfer seien „Notunterkünfte auf unterstem Niveau“, aber immer noch besser als Zelte im Stadtpark. Dennoch sei man seit dem Offenen Brief nicht untätig gewesen. Wenn die Zahl der Flüchtlinge sich auf dem Niveau von Juni stabilisiert, sollen bis Ende März 1994 weitere fünf Containerdörfer entfernt werden. Die Dradenaustraße, so Frank, sei dann dabei.

Doch während der Flüchtlingsrat eine menschenwürdige Unterbringung einklagt, kocht die Hamburger CDU ihr eignes Wahlkampfsüppchen. „Warum werden neue Pavillondörfer gebaut, wenn insgesamt fünf schon bestehende Dörfer geschlossen werden“, will der Abgeordnete Jürgen Klimke in einer Kleinen Anfrage wissen. Angeregt von seinem Wandsbeker Parteigenossen Michael Bruhns, der kürzlich den Baustopp für die Pavillondörfer Lemsahl und Hummelsbüttel forderte. Daß es einen Unterschied zwischen Pavillons und Containern gibt, ist den Bezirkspolitikern egal. Bruhns: „Was die Leute ärgert ist, wie die mit unseren Steuern umgehen.“

Die Flüchtlinge sollen eben froh sein, wenn sie ein Dach überm Kopf haben. Und wenn sie überhaupt hiersein dürfen, und sei es im Staub von Dradenau. Ein einziger Asylbewerber erreichte Hamburg im Juli über den Flughafen Fuhlsbüttel und wurde wieder nach Hause geschickt. Die übrigen kamen überwiegend illegal über die Grenze, die meisten ohne Papiere. Die einzige Chance für viele, nicht als „offensichtlich unbeachtlich“ eingestuft und wieder ins Drittland abgeschoben zu werden, d.h. das Nachbarland, von dem aus sie in die BRD eingereist sind.

Anderer Blick: die Anwälte. Sie haben erst wenig Erfahrung mit dem „Asylkompromiß“, dafür umso mehr mit den Konsequenzen des am 1. April in Kraft getretenen Asylbeschleunigungsgesetzes zu kämpfen. Ein Regelwerk, dessen Folgen ausreichend unmenschlich sind und das ausreicht, um die Zahl der Flüchtlinge auf ein für Hummelsbüttler Kleinbürger verträgliches Maß zu reduzieren. Das Computerprogramm Easy, das Asylbewerber so flink von Hamburg wegverteilt, macht easy Fehler. Da werden Asylbewerber, die krank und bettlägerig sind, zum Reisen gezwungen, so im Fall eines Mandanten der Rechtsanwältin Gabriele Heinicke, der in der Türkei gefoltert wurde. Die Ausländerbehörde zeigt hier kein Erbarmen, obwohl sie, so Heinicke, noch Spielraum für Umbuchungen hat.

Frage an die Ausländerbehörde, was sie denn überhaupt noch zu tun hat, jetzt, wo die Hamburger Außenstelle von Zirndorf alles regelt? Viel, sagt Behördenreferent Norbert Smekal. Denn im Unterschied zur Asylgewährung sei Abschiebung Ländersache geblieben. Diese Aufgabe werde immer umfangreicher, da das Bundesamt in Zirndorf jetzt zügig „den Berg von Altfällen“ abarbeite.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen