■ Schwule und Lesben dürfen in der US-Army dienen: Slalomkurs
Man kann das ganze wie immer von zwei Seiten aus betrachten. Man kann zum einen in Rechnung stellen, daß Bill Clinton der erste US-Präsident ist, der Schwule und Lesben als Interessen- und Wählergruppe überhaupt wahrgenommen und damit auch ihren Kampf gegen Homophobie und Diskriminierung anerkannt hat. Man kann andererseits feststellen, daß der Präsident ein Wahlversprechen gebrochen hat und nun eine Politik als Kompromiß verkauft, die die Bedürfnisse und Rechte dieser beiden Gruppen weiterhin negiert. Die neue Politik lautet: Schwule und Lesben dürfen in der Armee dienen, vorausgesetzt sie verzichten auf das, was allen Heterosexuellen in Uniform zusteht: ein Privatleben.
Ganz pragmatisch betrachtet, war diese Kompromißformel das politisch Klügste, was Bill Clinton jetzt noch tun konnte. Denn jeder ernsthafte Versuch, den Bann gegen Homosexuelle in der Armee per Exekutivorder aufzuheben, hätte unmittelbar zur Folge gehabt, daß der Senat den Status quo in ein Gesetz gegossen hätte.
Bill Clinton hat vor sechs Monaten einen großen Teil seines politischen Kapitals verspielt, als er erstens den Widerstand im Pentagon und Senat gegen die Integration von Homosexuellen in die Armee kolossal unterschätzte und zweitens unmittelbar nach dem ersten Aufwallen des christlich-konservativen Machismo den Kopf einzog und demonstrierte, daß es ihm mit einem Prinzip seines Wahlkampfprogramms, nämlich dem Schutz vor Diskriminierung für alle Amerikaner, nicht ernst war. Zumindest nicht ernst genug, um wenigstens ein einziges Mal vor der amerikanischen Öffentlichkeit seine grundsätzliche Haltung zu erklären. Dieser Fehler der ersten Tage hat seine bisherige Amtszeit entscheidend geprägt – und zwar weit über die Debatte um Homosexuelle in Uniform hinaus. In einem System, in dem Performance längst ebenso wichtig ist wie politische Inhalte, hat er sich mit diesem politischen Opportunismus eine entscheidende Blöße gegeben, sich politisch angreifbar, weil manipulierbar gemacht. Die Ironie an der Geschichte ist, daß Bill Clinton, hätte er sich prinzipiell und deutlich zu seinem Wahlversprechen bekannt, möglicherweise mehr Popularität geerntet hätte, als durch seinen Slalomkurs. In dem Versuch, Stimmen aus dem gegnerischen Lager, in diesem Fall dem christlich-konservativen, auf seine Seite zu ziehen, hat er sich vor der eigenen Klientel unglaubwürdig gemacht, während ihm die andere Seite kleinere Rechtsschwünge ohnehin nicht abkauft. Mit diesem Rezept, allerdings seitenverkehrt, ist vor ihm schon mal einer bei dem Versuch gescheitert, wiedergewählt zu werden. Der hieß George Bush. Andrea Böhm, Washington
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