Guns'n Roses gegen das Napalmduo

■ Impressionen vom Tischfußball und Electronicdart-Turnier in Farmsen Eissporthalle

„Kleiner Feigling gegen den Vollstrecker an Doppel-B“ dröhnt es durch die Farmsener Eissporthalle, die dank Neonlicht und Betonflair die Winteratmosphäre gegen den draußen tobenden Sommer verteidigen kann. „Kleiner Feigling gegen den Vollstrecker“, wie gemein das klingt. Alternativ dazu ist „Hägar der Schreckliche gegen Wurzelsepp“ im Angebot, oder vielleicht interessiert sich jemand für „Stalin gegen Das Tier“? Zu blutrünstig? Wie wär's mit ein wenig Kultur? „Guns'n Roses gegen das Napalm Duo“. Oder doch lieber etwas Kulinarisches? „Holsten-Express gegen Bic Mäc an Tisch 24“, guten Appetit!

Willkommen bei den Hamburg-Open im Electronic-Dart und Tischfußball, Neudeutsch: Soccer, in der Farmsener Eissporthalle. An 42 Dartautomaten und 24 Tischfußballgeräten gab sich Deutschlands Kneipensportelite, sozusagen entre nous – die Zuschauerränge blieben leer – ein Stelldichein.

An Tisch zwölf ist die Niederlage - wie immer beim Fußball - schnell analysiert. „Den hätt' ich eben reinmachen sollen“, stellt Gini, mit bürgerlichem Namen Anja Schneider, Industriekauffrau aus Meinersen, fachkundig fest. Partnerin Mausi, in Wahrheit Britta Barenkamp, Augenoptikerin aus Lingen, packt derweil schon mal die Ausrüstung zusammen.

Dazu gehören: Golf- Handschuhe (25 Mark das Paar) und Gummiüberzieher für die Kickergriffe (je eine Mark), die das Abrutschen der schweißnassen Hände verhindern sollen. Das Gleitmittel „Pronto“, sorgt für gleichmäßigen Leichtlauf der Spielerreihen und ein Schraubenschlüssel Größe 6 für die Reintegration aus der Reihe getretener Spieler.

Gespielt wird nach dem vom Tennis bekannten Prinzipien „Best of three“ (bei den Amateuren) und „Best of Five“ zusätzlich einer Hoffnungsrunde für die Verlierer. Die Siegerpartei muß also zwei (oder drei) Spiele in Front sein und pro Spiel fünf Treffer erzielen.

Im Darttunier wird das altbekannte „501-Double Out“ gespielt. Die Klassifizierung und der Austragungsmodus ist wie beim Kickern. Individualität herrscht einzig bei den Wurfpfeilendflügeln, den Flights.

Die blinkende Automatenwelt des allgegenwärtigen Sponsors LÖWEN S.P.O.R.T, die dem Tennis entnommenen Tuniereglements, die geliehenen „Künstlernamen“ sowie die Zusammenfassung des Ganzen unter der Bezeichnung Compakt Sport; das alles erinnert doch mehr an amerikanische Sportvermarktung als an europäische Spieltradition. In der Tat: „Diese Spiele“, erklärt Cheforganisator Günter Schmid“, wurden aus Europa nach Amerika exportiert. Dort sind sie besser vermarktet worden. Das Vermarktungskonzept haben wir dann reimportiert“.

„Wir“, das ist in erster Linie die Firma LÖWEN S.P.O.R.T:, die zudem die Dartautomaten, die Turnierkicker und die Preisgelder in Höhe von 40 000 DM bereitgestellt hat und auch ansonsten eine Monopolstellung für diese Geräte auf dem europäischen Markt hat. „Konkurrenz zu den L.Ö.W.E.N.-Sportgeräten gibt es allenfalls in Amerika“, äußert sich der alerte Mittvierziger.

Gini und Mausi haben ganz andere Sorgen. Die Hoffnungsrunde haben sie siegreich durchstanden, aber im Finale mußten sie sich doch von „Gepunktet und Geblümt“, ein Name, der sich von ihrer Beinkleidmode ableitet, geschlagen geben. Für den zweiten Platz im Damen Doppel gibt es 70 Mark; das bedeutet Abreise mit einem Verlust von ca. 150 Mark.

„Das ist so unfair“, ereifert sich Gini, „die Männer bekommen das zehnfache“. Das stimmt, für den zweiten Platz im Herren Masters Doppel gibt es 650 Mark. „Es sind so wenige Damen, daß es ungerecht wäre Spielerinnen, die sich gegen 4-5 Gegenerinnen durchgesetzt haben, genauso zu belohnen, wie die Herren, die sich durch ein Feld von 30 Gegnern kämpfen müssen“, erklärt Schmid, Vorsitzender des reinen Männerclubs die Benachteiligungen.

Kein Wunder, daß es in einer Sportart, die dermaßen auf den Enthusiasmus ihrer Aktiven angewiesen ist, Nachwuchsprobleme gibt. Zwar werden in Deutschlands Kneipen ständig neue Talente hervorgerbacht, doch „hier hat nicht mal ein guter Kneipenspieler eine Chance“, wie Master-Soccer Frank Weber aus seiner eigenen Erfahrung berichtet.

Lutz Kramer