Schlammschlacht um Gaertner

■ Über Umzugskosten, Unverschämtheiten, verschobene Fraktionsgelder, Billigstrom und Katjas Nightclub

“Unverschämtheit“, „ungeheuerlich“, „Lügen“ — starke Worte flogen hin und her in der Bürgerschaft. Da wurde gestern ein Antrag der CDU debattiert: Das Land solle von der Sozialsenatorin Irmgard Gaertner ihre Umzugskosten zurückfordern. Die waren finanziert worden, als Frau Gaertner von Kassel nach Bremen zog, zu Unrecht, wie die CDU fand. Doch darum ging es bald nur noch am Rande: Da standen die Billigstromaffäre um Wedemeier, die Fraktionsfinanzen von CDU und DVU und eine Äußerung vom CDU-Spitzenkandidaten Ulrich Nölle im Zentrum. Der hatte bei einer Veranstaltung am Mittwoch in der Vegesacker Strandlust gesagt, Bremens Wirtschaft sei so marode, daß Wedemeier besser bei der Wirtschaft Klinkenputzen gehen sollte, statt sich „bei Werder Bremen oder in Katjas Nightclub“ herumzutreiben.

Den Reigen eröffnete Michael Teiser von der CDU: Senator könne nur werden, wer schon drei Monate in Bremen wohne, also könne Frau Gaertner nicht auf die Erstattung ihrer Umzugskosten rechnen. Die zuständige Senatskommission für das Personalwesen habe die Gelder unrechtmäßig gewährt. Den überaus scharfen Ton Teisers konterte SPD- Fraktionschef Dittbrenner: Die Gelder seien zurecht geflossen. Die CDU solle sich an die eigene Nase fassen. Schließlich habe die CDU-Fraktion die Belege eines ganzen Jahres vernichtet, obwohl sie gewußt habe, daß der Rechnungshof die Unterlagen prüfen wolle.

Hans-Otto Weidenbach nutzte für die DVU die Gunst der Stunde, in altbekannter Manier auf die „Machenschaften etablierter Parteien und deren Hilfswilligen“ einzuschlagen. Das Meldegesetz werde nur gegen die DVU-Abgeordnete Marion Blohm gewendet, beschwerte sich Weidenbach.

Dann zündete die FDP ihre Zusatzrakete. Axel Adamietz brauchte einen wortreichen Ausflug in das Beamtenrecht seit 1904, um am Ende festzustellen: Ob Frau Gaertner zurecht das Geld bekommen habe — „Ich weiß es nicht“. Aber das sei keine Frage für das Parlament, sondern für ein Gericht. Wenn die Verwaltung einen Fehler gemacht habe, dann solle nicht die Senatorin darunter leiden.

Damit war zwar zur Sache alles gesagt, aber das hinderte das Parlament nicht daran, jetzt den „politischen Anstand“ zum Thema zu machen. Klaus Wedemeier goß noch zweimal Öl ins Feuer: Zum einen warf er der CDU auch noch einmal die vernichteten Belege vor, zum anderen aber griff er Ulrich Nölle frontal an, allerdings ohne das inkriminierende Zitat noch einmal zu wiederholen: „Was der sich geleistet hat, das ging unter die Gürtellinie. Das zeugt nicht von politischem Anstand.“ Den ganzen Tag habe er auf eine Entschuldigung gewartet. Und zur DVU: Wer sich ungeniert mit „Sicherheitszuschlägen“ bediene, habe kein Recht, so aufzutreten wie Weidenbach. Wedemeier: „Geradezu eine Unverschämtheit.“

Der Wedemeier-Angriff auf die CDU riß wiederum den Abgeordneten Teiser aus dem Sessel: „Das ist der Gipfel, was Sie sich geleistet haben.“ Schließlich haben er, Wedemeier, sich Billigtarife bei den Stadtwerken erschlichen. Woraufhin Bürgerschaftspräsident Dieter Klink in die Bütt ging: Es sei ungeheuerlich, Wedemeier so vorzuverurteilen, sagte er. Schließlich gebe es noch nicht einmal einen Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses. Und DVU-Weidenbach solle sich nicht als „Saubermann“ aufspielen, obwohl er eine „braune Weste“ anhabe. Und schließlich habe sich die DVU den „Sicherheitszuschlag“ gezahlt.

CDU-Fraktionschef Kudella donnerte vom Rednerpult, es sei eine Tatsache und keine Vorverurteilung, daß Wedemeier Billigstrom bezogen habe. Karoline Linnert von den Grünen versuchte die Gemüter zu beruhigen: Durch solche Debatten nehme die Politik insgesamt Schaden. Und Claus Dittbrenner wies breitbeinig alle Anschuldigungen „mit Entschiedenheit zurück“.

Danach kam nur noch Marion Blohm von der DVU. Sie erklärte, es sei eine Lüge, daß der Rechnungshof nicht in die Bücher der DVU hineinsehen dürfe. Daß das noch nicht passiert sei, das liege am Rechnungshof selbst. (vgl. S.30)

Der Antrag der CDU wurde abgelehnt.

Jochen Grabler