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Die SPD will keine Nullrunde bei der Sozialhilfe

■ Berlin im Bundesrat auf SPD-Linie: Interview mit Sozialsenatorin Stahmer (SPD) / Senat wird Waigels Sparpaket ablehnen / Kritik auch an Pflegeversicherung

Am Donnerstag beginnen im Bundesrat die Beratungen über das Sparpaket von Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU). Dieses sieht vor allem Kürzungen bei den Lohnersatzleistungen, eine zeitliche Begrenzung der Arbeitslosenhilfe sowie ein Einfrieren der Sozialhilfe vor. Gestern beriet der Senat, welche Haltung er bei den Beratungen einnehmen wird. Die taz befragte Sozialsenatorin Ingrid Stahmer zu dem Ergebnis.

taz: Wird der Senat das Sparpaket ablehnen?

Ingrid Stahmer: Bei einigen Regelungen kann sich die Koalition nicht einigen, dort wird sich Berlin enthalten. Es gibt auch einige Sparvorschläge, die der Senat einhellig ablehnt. Wir machen zum Beispiel deutlich, daß die Verlagerung von Kosten aus dem Bundeshaushalt in die kommunalen Haushalte keine Lösung für die Finanzprobleme des Bundes ist. Die Einsparungen kann man nicht bei den gering Verdienenden und den Arbeitslosen suchen, die Kürzungen von Lohnersatzleistungen sind nicht der richtige Weg.

Also lehnt der Senat sowohl die Reduzierung der Lohnersatzleistung als auch der Sozialhilfe ab. Wo sind denn die zwischen SPD und CDU strittigen Punkte?

Bei der Kürzung der sozialen Regelleistung gibt es eine gemeinsame Entschließung, die Bundesregierung aufzufordern, diese nicht zu kürzen. Die SPD will darüber hinaus auf keinen Fall einer Nullrunde bei der Sozialhilfe 1994 und 1995 zustimmen.

Sieht sich der Senat in seiner ablehnenden Haltung im Einklang mit den fünf neuen Ländern?

Zumindest gibt es solche Erklärungen aus den dortigen Fachministerien, die allerdings zur Zeit etwas schwankend sind. Man weiß von daher nicht, wie sie sich letztendlich verhalten.

Eine weitere strittige Regelung, die auch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist die Pflegeversicherung. Die Regierungskoalitionen favorisieren zur Zeit ein Finanzierungsmodell, wonach an zehn Feiertagen der Lohn um jeweils 20 Prozent reduziert wird. Welche Haltung nimmt der Senat ein?

Diese neue Kompensationslösung mit einer Lohnkürzung hat wenig mit der Pflegeversicherung zu tun, die wir brauchen, um überhaupt eine Verbesserung für die Pflegebedürftigen zu bekommen. Berlin lehnt die Vorschläge der Bundesregierung im großen und ganzen ab. Eine wirkliche Verbesserung der Leistung für Pflegebedürftige wird durch diese Regelung nicht erreicht. Die Leistungen sind zu knapp, der Personenkreis ist zu eng bemessen. Die Investitionsleistungen werden den Bundesländern ganz aus der Hand genommen, gleichzeitig müssen sie jedoch einen Zuschuß an den Bund für die Investitionskosten zahlen. Bei den neuen Vorschlägen, die Kosten von den Arbeitgebern auf die Arbeitnehmer zu verlagern, wird zu prüfen sein, inwieweit diese überhaupt verfassungskonform sind. Ein Eingriff in die Tarifautonomie scheint mit hier genauso gegeben zu sein wie bei den Karenztagen.

Wann ist die Pflegeversicherung vom Tisch?

Das hängt von der Bundesregierung ab. Wenn sie sich weiterhin parteitaktisch verhält, dann werden wir nicht zu einer schnellen Lösung kommen. Interview: Dieter Rulff

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