piwik no script img

■ KommentarSzylla und Charybdis

In der griechischen Mythologie gelingt dem Helden Odysseus das schier Unmögliche: Er steuert seine Genossen zwischen Charybdis, einem Strudel, der jedes Schiff verschlingt, und Szylla, einem Ungeheuer mit sechs Schlangenhälsen und sechs gräßlichen Mäulern, hindurch.

Henning Voscherau und sein rostiger SPD-Tanker sind in einer ähnlichen Lage. Soll er in einer Koalition mit der grünen Charybdis strudelnd untergehen, Stimmen verlieren wie die Genossen in Frankfurt? Oder sich der Szylla Wegner überantworten, die mit ihren Reißzähnen das Gedärm sozialdemokratischer Glaubwürdigkeit zerfetzt? Nicht wenige Sozis glauben, die SPD könne sich per Discount-Tolerierung noch einmal hindurchlavieren.

Anders als in der griechischen Mythologie geht es in Hamburg aber um mehr als um bloßes Durchkommen. Die SPD muß begreifen, daß die BürgerInnen ihr allein die Lösung der Hamburger Probleme nicht zutrauen. Sie wollen keine faulen Kompromisse, sondern wegweisende Kooperation. Die Statt-Partei ist gewählt worden als Kontrollpartei, nicht als Regierungspartei. Anders die Grünen. Machtpolitisch für die SPD fraglos gefährlich und charybdisch, sind sie in Sachfragen genau jener Katalysator, den die altbackene SPD-Politik braucht, um die Zukunft der Stadt zu gestalten.

Und hier liegt das Problem: Strudel und Reißzahn für die SPD sind nicht Grüne oder Statt-Protestler, sondern Hamburgs BürgerInnen. Diesem Ungeheuer wird die SPD nur dann entkommen, wenn sie ihre Politik radikal verbessert und zur Kenntnis nimmt, wohin sich moderne Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik inzwischen bewegt hat. Verweigert sich die SPD weiterhin dieser Erkenntnis, dann dürfte sich ein auf deutscher Mythologie fest gegründetes Orakel des Hamburgers Heinrich Heine erfüllen: „Ich glaube, die Wellen verschlingen am Ende Schiffer und Kahn.“ Florian Marten Siehe Berichte auf dieser und auf der nächsten Seite

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen