: Hunde zu Schuhcreme muß nicht sein!
■ Bestattungsunternehmen für Kleintiere bietet „individuelle Einäscherung“– sonst droht Verarbeitung zu Schuhcreme oder Dünger
Die Stimmung ist gedämpft, das Licht abgedunkelt. Schweigend sitzt die Familie im Wohnzimmer – im Kreis um einen Pappkarton. Bello ist gestorben. 15 Jahre hat der treue Terrier die Familie begleitet, Einbrecher verjagt und die Kinder groß gezogen. Jetzt segnete er plötzlich das Zeitliche.
Wer dieses Szenario nicht kennt, hat nie einen toten Hund besessen. Und hat sich auch nie die Frage gestellt: Wohin mit dem Verblichenen? Die neueste Antwort heißt „Cremare“. Cremare hat sich bundesweit darauf spezialisiert, für alle (Ex-)Kleintierbesitzer „eine würdige, umweltfreundliche und kostengünstige Alternative der Kleintierkörperbeseitigung anzubieten“.
Und das läuft so: Vor dem Haus der Trauernden fährt ein unscheinbarer Kleinlaster vor. Auf der Seite prangt nur das Firmenlogo „Cremare“mit einem Ährenkranz, einem Hasen-, einem Katzen- und einem Hundekopf. Ein junger Mann fährt den tierischen Leichenwagen. Leise drückt er der Familie sein Beileid aus, erledigt unbürokratisch die Formalitäten und lädt den toten Bello ein. Natürlich gekühlt. Sonst fängt Bello an zu stinken. Dann geht es in die Niederlande. Dort wird Bello dann „sammel- oder einzelkremiert“. Sprich: Er kommt alleine oder mit anderen toten Tieren in den großen Ofen.
Danach gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder Bellos Asche wird in alle Winde verstreut. Oder er kehrt zurück in den trauten Schoß der Familie. Ordentlich abgepackt in einer blauen Urne aus glasierter Keramik. „Die kann man dann auf den Kaminsims stellen“, verrät Cremare-Chef Udo Bartmann.
Doch, ist das nicht zuviel Aufwand für den toten Bello? Zumal die Einäscherung für Tiere bis fünf Kilogramm 78 Mark, bis 20 Kilogramm 128 Mark und darüber 178 Mark kostet. Mit Urne sogar das Doppelte plus 40 Mark Transport. Wer je einen toten Hund besessen und geliebt hat und sich nicht strafbar machen will, sagt entschieden „Nein. Das ist nicht zuviel.“
Denn: Was sind die Alternativen? In Bremen gibt es genau zwei, sagt Jan-Hendrik Brand, zuständiger Referent in der Bremer Gesundheitsbehörde. Erstens: Im Garten verbuddeln. Damit macht man sich aber strafbar, muß mit Bußgeld rechnen, verunreinigt das hohe Grundwasser und ärgert die Nachbarn, wenn Bello nicht tief genug vergraben ist. Lösung Nummer zwei jagt den meisten Hinterbliebenen der treuen Gefährten einen eiskalten Schauer über den Rücken. Bello in Plastiktüte packen, kostenlos beim Fuhrhof abgeben und möglichst nicht fragen, was dann passiert. Denn das ist Horror für Tierliebhaber. Die Kadaver kommen in die Tierkörperbeseitigungsanstalt bei Rothenburg/Wümme. Dort werden sie erhitzt, zermatscht, zerstampft, zermahlen. Und dann auch noch weiterverarbeitet. Zu Dünger, Tiermehl, Industriefett und zu Schuhcreme. Keine schöne Vorstellung: Gestern noch spazierengegangen mit Bello, heute die Schuhe poliert – auch mit Bello.
Wer scheut da noch die Kosten für eine huldvolle Feuer-Bestattung? Denn die letzte Alternative zur Schuhcreme ist noch teurer. Der Tierfriedhof in Oyten. Da kriegt die trauernde Gemeinde zwar eine richtige Beerdigung, mit Grabstein und Grabpflege. Eben wie bei Oma. Kostet aber auch fast soviel wie bei Oma. Bis zu 1.000 Mark für eine „Liegezeit“von vier Jahren. Und mal ehrlich. Soll man den Bremer Bello denn ernsthaft im Umland, im Speckgürtel verbuddeln? Nein, das will kein echter Bremer!
Dementsprechend plagt sich auch Gesundheits-Referatsleiter Brand seit Jahren mit Anfragen herum, was zu tun ist mit dem toten Liebling. Zumal Bremen im Bundesvergleich wegen des hohen Grundwasserpegels die rigidesten Kadavergesetze hat. Prinzipiell könnte man das Kremieren zwar auch in Deutschland besorgen. Ob das aber rentabel ist, bleibt fraglich wegen hohen Umweltschutzauflagen.
Da scheinen die Holländer nicht so umweltbewußt zu sein. Jedenfalls hat sich die Bundesregierung mit der niederländischen Staatsführung darauf geeinigt: Tote Tiere dürfen exportiert werden.
Das nutzt Cremare, die ihren Firmensitz in Wesel (Niederrhein) haben, seit vergangenem Juli. Tau-sende Kleinviecher haben seitdem die Grenze im Leichenwagen passiert. Darunter exakt acht Hunde aus Bremen. „Und wir haben dort bisher nur positives Echo erhalten“, so Chef Bartmann. Wohl wegen der verzwickten Bremer Rechtslage. „Nur die Tierärzte ziehen nicht so recht mit“, sagt Bartmann. „Die haben den Besitzern jahrelang erzählt, die Tiere würden verbrannt. Jetzt müßten sie zugeben, daß alles zu Schuhcreme verarbeitet wurde.“ Jens Tittmann
Cremare-Tel.: 0281/68190
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