piwik no script img

Frauensport ist Frauenmord Von Susanne Fischer

„Ich habe noch einen kleinen Imbiß vorbereitet“, ruft A. zum etwa zehnten Mal vergeblich in die Runde.

„Erst wollen wir noch die wichtigen Sachen besprechen“, gibt B. zurück, denn das, was aussieht wie ein Hühnerhaufen beim Likörkränzchen, ist in Wirklichkeit eine Tennismannschaftssitzung. Wir besprechen auch gleich, wer von den Mitmenschen schwanger ist, wer sich scheiden läßt und wer Krebs hat. Wir versichern uns gegenseitig, das beste am Dorfleben sei immer noch die Menschlichkeit, „auch und gerade beim Tennis“, predigt D., und ich weiß nicht, wie sie das wohl gemeint haben könnte.

„Ich habe noch einen kleinen Imbiß vorbereitet!“ ruft A. Sie ist die Mannschaftsführerin, und alle gehorchen ihr. Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich eine Führerin habe, und ich bin recht stolz auf A., denn sie schafft es, daß sich auch die aggressivsten Hexen nicht an die Gurgel springen. „Du bist bestimmt Streetworkerin für rechtsradikale Jugendliche?“ schleime ich mich bei ihr ein. „Nein, ich bin bei der Sparkasse“, antwortet A., „und wenn ihr jetzt vielleicht mal an den Tisch kommen...“ Der Rest geht im Gerede unter. A. will nicht mehr Mannschaftsführerin sein, seit sie die selbstgebastelte Rohrbombe unter ihrem Auto gefunden hat. „Wir sollten dann vielleicht die Aufstellung besprechen?“ versucht es A. kleinlaut. Ihr fehle die menschliche Wärme hier, klagt D., während U. ergänzt, sie habe gehört, es gebe etwas zu essen.

In der Tat hat A. einen kleinen Imbiß vorbereitet. Unter Sportlehrerinnen, dachte ich mir, wird Salat und Mineralwasser gereicht. Jetzt sitze ich hilflos vor einem tennisschuhgroßen Putenfilet in Sahnesauce mit Reisbergen und zweierlei Gemüsen. „Ich kann gar nicht kochen“, heuchelt A. und blickt lächelnd auf unsere sich rundenden Hüften. Sie selbst ist schlank wie ein Netzpfosten und wird wegen der angefressenen Konditionsschwäche der Kolleginnen wieder an Nummer eins spielen müssen. Ich sitze immer noch hilflos vor meinen Hähnchen, denn A. hat sicherheitshalber keine Messer aufgedeckt. Wenn sie mal nicht hinguckt, pieken sich die Damen mit den Gabeln. „Ich will auf keinen Fall Mannschaftsführerin werden!“ kräht S. neben mir.

„Das solltest du auch auch nicht, du bist viel zu zickig“, erwidere ich ruhig. Und zickig.

„Du kannst ja nicht mal Tennis spielen, du blöde Kuh“, zickt S. zurück.

„Ich kann einen Tennisball nicht von deiner Nase unterscheiden“, pflichte ich ihr bei. Sicherheitshalber räumt A. jetzt auch die Gabeln weg. Vor jede Frau setzt sie eine Schale Schokoladenpudding von der Größe Boris Beckers. E. darf wegen ihrer Zuckerkrankheit nichts nehmen, und alle versichern ihr aalglatt, sie verpasse nichts, das Zeug sei wirklich ekelhaft. D. fehlt die menschliche Wärme, und U. schwärmt von irgendwelchen alten Zeiten, an die sich außer ihr aber niemand erinnern kann, wie ihr alle ungefragt bestätigen. Dennoch siegt der Mannschaftsgeist: „Alle für einen!“ brüllen wir nach dem neunten Likör und beginnen mit dem Singen der Hymne: „Wir werden nie, nie, niemals absteigen, auch wenn wir je-, je-, jedes Spiel vergeigen!“ Aus der Kreisklasse kann man nämlich gar nicht absteigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen