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Betr.: Index on Censorship

Der aus Peking stammende Schriftsteller Yang Lian bezeichnet in seinem Beitrag die Situation der Literatur in China als „die Übel des Sozialismus kombiniert mit den Übeln des Kapitalismus“ – und hat damit wohl das Erbe Deng Xiaopings für ganz China beschrieben. Für Intellektuelle bedeutet das zweifache Zensur: sowohl durch die Partei als auch durch den Markt – beste Voraussetzungen also für die zerstörerischste aller Zensurformen, die freiwillige Neu- und Umdeutung der eigenen Geschichte, wie Yang Lian wütend und enttäuscht über seine eigene Generation schreibt.

Dieses einer Selbstzensur gleichkommende Verhalten beklagt auch der Politikprofessor Huang Yumin. Im Gespräch mit Yang Lian kritisiert er die vorauseilend gehorsame Reaktion von Hongkongs Medien auf die Übernahme durch China am 1. Juli dieses Jahres. Mit seiner Neugründung der Tageszeitung Dian Gou wendet er sich gegen diesen Trend: „Wenn Dian Gou überlebt, wissen wir, daß Presse- und Meinungsfreiheit real sind.“

Nach frühkapitalistischer Erfahrung dauert es etwa 50 Jahre, bis sich herumgesprochen hat, daß zu den optimalen Verwertungsbedingungen des Kapitals nicht nur der freie Fluß von Informationen gehört – heute der breite Zugang zu Telefon, Fax und Internet und eine unbehinderte Presse –, sondern auch bessere Lebens-, Bildungs- und Arbeitsbedingungen. Der Weg bis zu dieser Erkenntnis ist noch weit, wie Han Dongfang beweist. Sein Artikel über die Verfolgung jeder unabhängigen Gewerkschaftsinitiative in China macht zudem deutlich, daß Zensurmaßnahmen gegen Intellektuelle und Künstler immer solche gegen die gesamte Bevölkerung vorausgehen.

Mit den Gedanken des Schriftstellers und Fotografen Ma Jiang, der sich durch die Reintegration Hongkongs nach China wie von einer rückwärts treibenden Zeitmaschine überrollt fühlt, der Vorstellung des Performancekünstlers Danny Yung und Beispielen einer inzwischen eingestellten Comic- strip-Serie von Larry Feign rundet sich das Bild einer schon heute höchst vielfältigen politischen und künstlerischen Landschaft in China, die nach dem 1.Juli noch bunter wird.

Auf internationale Solidarität können Chinas Dissidenten indes auch nach Deng Xiaopings Tod nicht hoffen. Uta Ruge, London

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