Preisausschreiben

Ich weiß nicht, ob du da auch schon von gehört hast. Ich mein, dies Preisausschreiben, was se bloß inne ganz seriöse Zeitung' und Zeitschriften abgedruckt hab'n: „Wer schreibt die beste Rede für unsere Spitzenpolitiker?“Und konnte man Manuskripte einschicken, die allerdings mit Schreibmaschine oder PC getippt sein mußten und nicht länger als 15 Seiten sein durften. Meine Stammkundin, die Junglürikerin Nele Hütlein, hat da auch bei mitgemacht. Ich mein, mit ihre Lürik ist sie ja nix geworden, das heißt, ihr Band „Ohne Panzer geht es nicht“, da hat sie zuerst über 2000 Stück von verkauft, vor allen de neonazistische Jugendverbände und de schlesische Landsmannschaft haben wie verrückt bestellt. Aber denn ist rausgekomm', daß das doch keine Strategieanweisung für 'ne Eroberung von Lebensraum in' Osten war, sondern bloß von ein' Insekt mit menschliche Züge handelte, den sein Chitinpanzer genmäßig wegmannepuliert worden ist. Und der humoristische Gedichtband „Die geklonten Chomeinis“, wo se gehofft hat, de persische Regierung verurteilt se ebenso zun Tode wie den Kollegen Ruschdie, der nach diese PR-Aktion über 10 Millionen Bücher verkauft hat, war ein Schuß in' Ofen, weil: Die iranische Botschaft hat zwar reagiert, aber bloß mit 'ne einstweilige Verfügung, daß sie den Titel ändern muß, oder sie zahlt 'ne Geldstrafe von 50.000.- wegen Beleidigung. Unter den neuen Titel „Die geklonten Ajatollahs“liegen de Gedichte natürlich wie Blei inne Regale vonne Buchhändler. Wie gesagt, denn hat sie bei den Preisausschreiben mitgemacht mit 'ne Rede für de Ministerin Nolte. „Das war“, sagte se zu mir, „ein experimenteller Text. Jedes 25. Wort mußte ,Jugend' sein und jedes 10. Wort ,Zukunft'. Ich habe genau abgezählt.“Wie gesagt, Frau Hütlein hat das Renn' gemacht. Und hat heute ein' festen Vertrag mit Frau Nolte und neuerdings auch mit Frau Süßmuth, wo sie aber mitte Begriffe „Gerechtigkeit“, „Bescheidenheit“und „Ehrlichkeit“arbeitet. Weshalb ich das alles erzähl: Herr Studienrat Arnold hat auch mitgemacht bei den Preisausschreiben. Er ist ja so'n richtiger oller verbitterter Pauker, und seitdem er weiß, daß er bis zu sein' 70. Lebensjahr unterrichten muß, hat er bloß noch schlechte Laune, auch außerhalb von seine Dienstzeit. Und hat auch sonne richtige Schimpfkannonade eingeschickt. Hat se mir sogar vorgelesen, als er sich den „Bayernkurier“gekauft hat: „Ihr taugt ja alle, wie ihr da seid, nichts! Faul, träge, ohne Phantasie seid ihr! Und das einzige, was ihr könnt, ist Knete abzocken und faulenzen! Aber das sag ich euch: Wenn ihr jetzt nicht bald aktiv werdet, dann werdet ihr schon eure Quittung bekommen, indem ihr nämlich das Klassenziel nicht erreicht, ihr stupiden, egoistischen Durchhänger...“Undsoweiterundsofort. Ja, und nu weißt du auch, wer diese Rede gebucht hat: unser Herr Bundespräsident persönlich! Und er ist wahnsinnig gut mit angekomm', weil er mal wirklich ALLE seine Meinung gegeigt und de Leviten gelesen hat. Und seit diese Rede, das mußte sogar Herr Augstein zugeben, hat inne Bundesrepublik ein enormer Denkprozeß eingesetzt. Wer aber den allergrößten Reibach gemacht hat? Mein Stammkunde Jungunternehmer Aschler! Allerdings nicht mit ne Rede, sondern mit ein Konzept, das de Staatskanzlei in Berlin sofort geordert hat, nämlich: de nächste Wahl'n mit ein' Preisausschreiben zu koppeln! Und will man den Gewinner gleich nach den amtlichen Endergebnis bekanntgeben. Und vielleicht gelingt das mit diesen Konzept, daß de Wahlbeteiligung doch nicht unter 20 Prozent absackt.