piwik no script img

Aufbruch mit Neuhold

■ Mit neuen Abos und nicht ganz neuer Musik will die Philharmonische Gesellschaft neues Publikum erobern

Aufgeräumt und gut gelaunt präsentierte die Philharmonische Gesellschaft das Programm für die nächste Saison. Der Grund des Glücks ist eine anhaltende Aufbruchstimmung, seit Generalmusikdirektor Günter Neuhold das Steuer übernommen hat. „Unser Ruf ist durch die Arbeit von Neuhold so gestiegen, daß jetzt Künstler zu uns kommen, die vorher nicht gekommen wären“, so Barbara Grobien von der Programmkommission. Dazu kam die längst fällige Trennung von der schläfrigen Agentur Praeger & Meier, obwohl sie zwischenzeitlich an den Veranstalter Hermann Pölking-Eiken verkauft worden war. Dort jedoch hätte sich die Philharmonische Gesellschaft wegen einer „deutlichen Gefahr der Interessenkollision“in keiner Weise aufgehoben gefühlt, so der Vorsitzende Edzard Dettmers. Das professionelle Durchstarten erhofft man sich jetzt von der KPS Konzertbüro GmbH, deren Vertreterin Ulrike Trümmel jedoch noch keine näheren Angaben dazu machen konnte oder wollte.

Hält man sich die einmalige Konstruktion der Philharmonischen Gesellschaft vor Augen – die Stadt bezahlt lediglich das Orchester; die Honorare und alle anderen Kosten bringt die ehrenamtlich arbeitende Gesellschaft durch Einnahmen und wechselnde Sponsoren auf – , so ist vorstellbar, daß die Verdoppelung der Miete in der neuen Glocke nicht leicht wegzustecken ist. Der Etat beläuft sich auf rund 300.000 Mark. Damit allerdings werden zwölf Philharmonische Konzerte, acht Kammerkonzerte und zwei Rathaus- und Jugendkonzerte angeboten. Das ist äußerlich geblieben, nach innen gibt es eine Reihe von Veränderungen. So hoffen Dettmers und Co, zusätzlich mit zwei Achter-Abonnements – acht (statt zwölf) Orchesterkonzerte sowie eine Mischung aus Orchester- und Kammerkonzerten – neue Publikumsschichten gewinnen zu können.

Außerdem bemüht sich der rührige Günter Neuhold erfolgreich um Kooperationen: In Zusammenarbeit mit dem Institut Français und der Klassikinitiative Bremen bringt er in der kommenden Saison Olivier Messiaens wahrhaft monumentale „Turangalila-Symphonie“(1946-48), eine unglaubliche Herausforderung an Spieler und Hörer, der sich Neuhold zum zweiten Mal stellt. Die Klangorgien dieser nahezu kosmischen Musik werden akzentuiert durch den Einsatz eines „Onde Martenot“, ein „durchaus penetrantes Instrument, das durch Mark und Bein geht“, sagt Neuhold. Ein anderes Konzert der Klassikinitiative klinkt sich in das Brahms-Jahr zum 100. Todestag des Komponisten ein. Ein drittes versucht, das Chorpotential in Bremen anzuregen. Dringend werden SängerInnen für die Singakademie gesucht, die Neuhold für die Aufführung einer Rarität mit dem Bremer Domchor vereint: Ermanno Wolf-Ferraris „La Vita Nuova“. Neuholds viertes Konzert beeinhaltet die Realisierung eines Kompositionsauftrages an Wolfgang Rihm für ein Werk für Klavier und Orchester. Auch dieses Konzert führt in musikalisches Neuland: Zum Klavierkonzert von Josef Martin Hauer, jenem Komponisten, der die Erfindung der Zwölftonmusik für sich beansprucht. Es ist nach Neuhold „ein Hammer, acht Minuten volle Energie“. Aufbringen muß die vor allem seine Frau, die Pianistin Emma Schmidt.

Ansonsten gibt es ein normal klassisches Programm mit hervorragenden InterpretInnen und mit Werken von Mozart, Schumann, Brahms, Beethoven, viel Strauss. Neue Musik kommt da weiterhin kaum vor, aber mit Wolfgang Rihm, Josef Hauer, Alban Berg (Violinkonzert), dem späten Cellokonzert von Schostakowitsch, der vierten Sinfonie von Rudolf Kelterborn und dem Messiaen gibt es immerhin ernsthafte Bemühungen.

Auf bekannte Gäste wie Mario Venzago, Christoph Prick, Paul Capolongo und Jean-Bernard Pommier darf man sich ebenso freuen wie auf die wohlüberlegten Debüts, zum Beispiel das des jungen Dirigenten Michel Swierczewski oder das des französischen Geigers Augustin Dumay. Eine strukturelle Änderung gibt es auch bei den beiden Jugendkonzerten: Abgesehen davon, daß nach Neuhold „die Jugendarbeit von Grund neu gestaltet werden muß“, werden die beiden DirigentInnen diesmal durch eine Jury nach einem Meisterkurs bei Neuhold ausgewählt. Die Kammerkonzerte bringen wahrlich erlesene Quartett- und Kammermusickunst: das Arditti- und das Nomosquartett sind dabei sowie das Tokio String- und das Amatiquartett.

Ute Schalz-Laurenze

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen