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Mehr Bildung macht Spaß

■ Für den Gründer des „Temple Of HipHop“, den Rapper KRS-One, mausert sich HipHop mit allen seinen Facetten zur dominanten Kultur der Metropolen

Kris Parker ist ein großer, kräftig gebauter Mann. Das ist auch gut so, denn er hat viel zu tragen. Seitdem Parker zusammen mit Scott La Rock als Boogie Down Productions die Single The Bridge Is Over herausbrachte, macht er nicht HipHop, sondern ist HipHop.

Um das zu verstehen, muß man zunächst einmal von der Vorstellung Abschied nehmen, bei HipHop handele es sich lediglich um ein musi-kalisches Genre. Die Musik ist Rap und – unterteilt in „DJing“und „MCing“oder Klang und Wort – lediglich eine von vielen Ausdrucksformen der Kulturform HipHop. HipHop ist, in der Überzeugung von Kris „KRS-One“Parker, schon jetzt die dominante urbane Kultur unserer Zeit und wird es täglich mehr. HipHop ist Sprache, Kleidung, Gestik. HipHop ist Breakdance, Graffitti und, wer hätte es gedacht, Philosophie.

Für letzteren Bereich zeichnet KRS selbst verantwortlich. Hier liegt seine Aufgabe. Damals, 1985, setzte er durch das Stück The Bridge Is Over einen verbalen Krieg zwischen seiner Gruppe, die für die Bronx stand, und einigen Rappern aus Queens in Gang. Dieser Konflikt, den Boogie Down Productions gewannen, galt insofern als Präzedenzfall für die heutige Auseinandersetzung zwischen Ost- und Westküste, als daß auch hier ein Mord die Zäsur setzte. Denn nach dem Tod von Scott La Rock änderte KRS One seine Politik und beschwor das Wort statt der Waffe. Der Begriff dazu ist „Edutainetment“, das Miteinander von Bildung und Spaß. So schrieb sich KRS sowohl als „Blastmaster“, als Meister der fetten Beats, wie auch als „Teacher“fest, der einer tanzenden Menge Informationen über schwarze Kultur, Vegetarismus und soziale Zusammenhänge mitgibt.

Kein Wunder also, daß es kaum jemanden gibt, der dem wortgewaltigen Künstler die Definitionsmacht streitig machen oder gar absprechen würde. Was wiederum die Grenzen der Reflektion und sozialen Integrität von HipHop klar offenbart. Denn auch wenn der inoffizielle Sprecher über ein seltenes Maß an Abstraktion und Selbstdistanz verfügt, findet die Begeisterung über seine Thesen spätestens in der Frauenfrage ihre Grenze. Zwar ist KRS-One nicht offen sexistisch, doch ist seine Vorstellung über die Rolle der Frauen in der neuen, besseren HipHop-Gesellschaft nur eine Seite der bekannten „Hure-oder-Heilige“-Medaille. So sieht KRS-One die Tatsache, daß er in seinem Projekt, einer Schule für HipHop, eine Frau zur Göttin und Kulturstifterin erklärt, tatsächlich als Stärkung der weiblichen Position.

Diese Schule, der sogenannte „Temple Of HipHop“, ist des Innovators größtes Ziel. Sie soll die Kultur mit wissenschaftlichem Ernst verfolgen und für gesellschaftliche Anerkennung sorgen. Dafür arbeitet der Unermüdliche momentan und hat sogar eine betont kommerzielle Platte herausgebracht, um damit Geld für das Projekt zu generieren.

Doch auch jenen, denen das alles übersteigert oder wahnsinnig erscheint, sei der Besuch des ersten KRS-One-Konzertes seit sechs Jahren ans Herz gelegt. Denn mehr als in allem anderen unterhaltsamen Wahnsinn, heiße er Wu-Tang oder wie auch immer, steckt hier Leben, steckt hier HipHop.

Holger in't Veld

mit Mellow Bag: So, 17. August, 21 Uhr, Große Freiheit

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