piwik no script img

Minimum an graugewandeten Grimmigkeiten

■ Das neugegründete Hamburger Liebhaber Theater zeigt „Iphigenie auf Tauris“

Selbst vom alten Goethe ließe sich unter Umständen etwas lernen. Aus dem Drama Iphigenie auf Tauris zum Beispiel, daß schon in der Antike die Begegnung zwischen Eingeborenen und Fremden lebensgefährlich werden konnte.

Die Titelgestalt des Dramas von 1779 fristet ihre Tage als Priesterin bei den Taurern. Jeder Fremdling wird dort der Göttin Diana geopfert. Iphigenie gelingt es, König Thoas vom grausamen Ritual abzubringen, doch als sie sich weigert, ihm einen Thronfolger zu gebären, führt er das Menschenopfer wieder ein. Iphigenie soll ihr blutiges Handwerk ausgerechnet am Bruder Orest und dessen Freund Pylades ausüben. Nach harter Überzeugungsarbeit springt Thoas aber über den eigenen Schatten und schmeißt die Griechen schließlich raus: Die Humanität hat gesiegt.

Soweit die Inhaltsangabe, die auch für diejenigen interessant sein könnte, die am Dienstag bei der Aufführung des neugegründeten Hamburger Liebhaber Theaters eingeschlafen sind. Dabei fing es spannend an: Graugewandete grimmige Gestalten warfen dem Publikum Sitzkissen vor die Füße – die Schauspieler als schlecht gelaunte Platzanweiser fungieren zu lassen, war prima. Es folgte jedoch eine zweistündige Vorstellung, die Silke Schulze-Gattermann, Regieassistentin am Schauspielhaus, mit einem Minimum an Ideen, Bewegungen und Spannungsmomenten ausstattete, weshalb ein Maximum an Dösigkeit aufkam.

Am elegantesten zog sich Sebastian Dunkelberg als König Thoas aus der Affäre. Von einem hohen Kubus, im Rücken der Zuschauer aufgestellt, deklamierte er sich schnell in die Rolle des Monarchen hinein. Danach hatte er Pause und kam erst ganz zum Schluß von seinem Sockel gestürzt. Iphigenie dagegen (Inga Dietrich) durfte bereits nach einer Stunde das Dach des Dianentempels verlassen – solange mußte sie oben kantig umherschreiten, verzweifelt aussehen und sich am Kleid zupfen. Das kann doch wohl mit dem „nicht alltäglichen Konzept“, das die Gruppe für sich reklamiert, nicht gemeint gewesen sein.

Das Hamburger Liebhaber Theater ist mit dem Anspruch angetreten, ein 200 Jahre altes Stück unter die Leute zu bringen, ohne die klassische Textvorlage zu verstümmeln. Doch blieb sie größtenteils unverständlich und das schlechte Spiel tat ein übriges. So blieb nur eines hängen: Die spinnen, die Griechen. Barbora Paluskova

noch bis 16. August, 21 Uhr, Zeisehallen, Friedensallee 9

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen