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Man müßte die Tore weglassen

Gut gespielt? Interessiert „kein Schwein“: Nach dem 0:3 bei Bayern München nähert sich Hertha-Trainer Röber dem Ende seiner Schonzeit  ■ Aus München Holger Gertz

Auch nach diesem Spieltag wird es sein wie immer: Giovanni Trapattoni bleibt unzitiert. Obwohl es was zu berichten gäbe, seine Bayern sind ja zumindest vorübergehend auf Platz eins der Tabelle geklettert, verlängert hat er seinen Vertrag auch, bis 2000, und schließlich sogar eine Menge mitzuteilen gehabt nach dem 3:0 gegen Hertha. Allerdings hat es niemand verstanden. Der Mister, wie sie ihn nennen, ist jetzt schon im dritten Jahr in Deutschland und sperrt sich gegen die Sprache noch immer wie ein Kind gegen den Lebertran. Aber das macht nichts, weil die Pressekonferenzen im Bauch des Olympiastadions seit Giovanni auf das reduziert werden, was sie in Wahrheit überall sind: blankes Informationsverhinderungskabarett. Einer fragt, und Trapattoni sagt: „Gut.“ Das ist sein bestes Wort auf deutsch. Dann fuchtelt er mit den Armen und verzieht sein knautschiges Clownsgesicht und spielt am Mikrophon rum und redet und redet. Mancher unten im Pressesaal kneift die Augen zusammen, als könne man von den Lippen des Meisters ablesen, was er meint, aber es ist ein hoffnungsloser Versuch. Hinten im Eck spült der Wirt vom Bierausschank die Gläser, und so plätschernd, wie das Wasser ins Becken läuft, zerrinnen Trapattonis Worte irgendwo im Raum. Immerhin, ein Satz wird bleiben: „Rober hat gute Mannschaft.“ So ist das. Jürgen Röber, der Trainer der Herthaner, hat wirklich verhältnismäßig viele Samtfüßchen in seinem Team, und ein Filmemacher müßte nicht besonders geschickt sein, um die Szenen des Spiels so aneinanderzumontieren, daß eine überlegene Hertha über den Schirm flimmert: Er müßte nur die Tore weglassen.

Als die erste Halbzeit sich neigte, hatten sich sogar alle Berliner bis auf Keeper Fiedler in die Hälfte der Bayern gewagt, aber was wie ein Symbol für den Vorwärtsdrang der Außenseiter gewirkt hätte, wenn die Sache gut ausgegangen wäre, sah in der Niederlage nur ungestüm und dumm aus. Langer Ball von Strunz auf Zickler, der nach vorn und schnell zurück zu Elber. Tor, drei Minuten vor der Pause. „So was passiert nur einem Aufsteiger“, sagt Röber, „in so einer Phase mußt du das Ergebnis halten.“ Und wenn das nicht klappt, wenigstens kurz nach der Pause den Ausgleich machen.

Kurz vor der Pause und kurz nach der Pause sind ja die psychologisch wichtigen Momente, wie jeder weiß. Jedoch traf Kjetil Rekdal nur die Unterkante des Tores von Oliver Kahn, kurz darauf köpfelte Andreas Schmidt eine Flanke von Brian Roy an die Stange, den Abpraller plazierte Axel Kruse gleich nochmal an dieselbe Stelle und prüfte danach vor lauter Wut die Reißfestigkeit seines Trikots.

„So ist es, wenn man unten drinsteht, da springt der Ball von der Latte wieder raus“, sagt Röber. Steht man allerdings obendrauf, springt er von der Latte rein wie acht Minuten später von Carsten Jancker vorgeführt: Der Fußball folgt halt doch ungeschriebenen Gesetzen. Matthäus an allen aufgerückten Herthanern vorbei auf den eingewechselten Mann mit der Minimalistenfrisur: 2:0. Kurz danach traf Strunz zum dritten.

Hertha bleibt mit zwei Punkten am Tabellenende und muß aufpassen, daß sich nicht allmählich Fatalismus in die Sicht der Dinge mischt. „Die Berliner wollen ihren Flieger kriegen, lassen Sie uns deshalb den Hertha-Trainer schnell abfertigen“, bat Pressechef Hörwick die Schreiber, und Röber flüsterte ein klein wenig zu laut: „Wir sind doch hier schon anderthalb Stunden abgefertigt worden.“

Stürmer Kruse brachte die Angelegenheit frischgeduscht gewohnt bündig auf den Punkt: „In ein paar Tagen interessiert sichkein Schwein mehr dafür, daß wir hier ganz gut gespielt haben.“ In ein paar Tagen müssen sie nach Rostock, dann kommt der 1. FC Köln und mit ihm das Ende der Schonzeit für Röber, wenn es dann immer noch nicht läuft. Ungeschriebene Gesetze, wie gesagt. Rostock, vor der Saison von den meisten Experten für erstligaunwürdig gehalten, ist verdammt gut drauf im Moment, und der 1. FC Köln wird sicher schon Trainer Neururer rausgeworfen haben, wenn es gegen Hertha geht. Da müssen sie dann auch noch gegen einen neuen Besen ankehren.

Was sagt Trap? „Ist schwierig alles“, das stimmt, und was sagt „Rober, is gute Mann“ (Trap)? Röber sagt: „Vielen Dank“ und knallt seine Kaffeetasse gegen das Mikro, daß dem Schankwirt gegenüber fast das Pilsglas aus der Hand fällt. Es gibt so Tage, da geht alles schief.

Hertha BSC Berlin: Fiedler – van Burik – Herzog, Sverrisson – Covic, Veit, Rekdal (90. Arnold), Dinzey, Schmidt – Kruse (78. Lakies), Roy (78. Hartmann)

Zuschauer: 63.000 (ausverkauft), Tore: 1:0 Elber (42.), 2:0 Jancker (74.), 3:0 Strunz (77.)

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