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Kraftraubender Antirassismus

■ Erfolge von Bündnissen gegen Fremdenfeindlichkeit sind selten. Das Beispiel Brandenburg zeugt von allgemeiner Erschöpfung

An langem Atem mangelte es nicht: Ein Jahr lang zogen über 50 Jugendliche durch 13 brandenburgische Orte, öffneten über 900 Ladentüren und hielten den gleichen Vortrag. Sie stellten sich als Mitglieder der „Aktion Noteingang“ vor und warben darum, einen Aufkleber anzubringen, auf dem steht: „Wir bieten Schutz und Information bei rassistischen und faschistischen Übergriffen“. Und sie hinterließen einen Fragebogen, in dem die Laden- und Restaurantbesitzer Auskunft geben sollten, warum sie den Aufkleber anbringen oder warum nicht und wem sie im Ernstfall helfen würden.

Bei einem Kongress der brandenburgischen Initiativen gegen Rechtsextremismus zogen die Mitglieder der „Aktion“ Bilanz. Die Enttäuschung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. „Es war ungeheuer kraftraubend“, konstatierte ihre Sprecherin Susanne Lang.

Dafür sprechen auch die Ergebnisse der Aktion, die ins Leben gerufen wurde, als 1998 in der Kleinstadt Bernau kurz nacheinander ein Gambier und ein Vietnamese am helllichten Tag überfallen wurden: Die Hälfte der Fragebögen blieb unbeantwortet; an knapp jedem fünften Fenster wurde ein Aufkleber angebracht. Der am häufigsten genannte Grund, den Aufkleber nicht zu wollen: Angst vor Sachbeschädigung (25,4 Prozent) sowie Angst vor Kundenverlust (9,8 Prozent).

Aus allen Städten wird berichtet, man habe sich mit denselben Argumenten auseinandersetzen müssen – wie „Gibt es auch Aufkleber gegen linke Gewalt?“ oder „Mein Geschäft soll politisch neutral sein“.

Die Erlebnisse sind kein Einzelfall. Und es ist schwierig, stabile Bündnisse zu organisieren, meint Ray Kokoschko vom „Mobilen Beratungsteam“, einer weiteren auf dem Kongress vertretenen Initiative. „Immer noch gibt es Politiker, die sich heftig dagegen wehren, Rechtsextremismus zu erkennen.“

Ebenfalls deutlich wurde, in welch desolatem Zustand die Opferhilfe ist. „Viele Bürgermeister kommen nach einem Überfall gar nicht“, sagte Gabi Jaschke vom Verein „Opferperspektive“. Den Verein, der seit Juni 1998 über 50 Opfer rechter Gewalt juristisch wie psychologisch betreut hatte, gibt es eigentlich gar nicht mehr. Weil die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit Anti-Castor- und Anti-Olympia-Protesten gegen einen der Mitarbeiter ermittelt, strich das Potsdamer Justizministerium dem Verein die Gelder.

Stellvertretend für die Opfer rassistischer Gewalt war ein junger Sudanese angereist, der im Februar 1998 in Lauchhammer von einer rechtsgerichteten Motorradgang überfallen worden war. Bis heute harrt er in demselben Asylbewerberheim aus, traut sich kaum auf die Straße, aus Angst, denselben Leuten noch einmal zu begegnen. Weder darf er umziehen noch den Landkreis verlassen. „Ich habe Anträge über Anträge gestellt“, sagt er, „aber es ist nicht möglich, mich zu verlegen.“ Rassistische Gewalt ist in dem Verteilungsschlüssel für Asylsuchende nicht vorgesehen.

Jeannette Goddar

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