: Heizen mit der eigenen Körperwärme
■ Vor den Toren Bremens wird eine Öko-Siedlung mit 13 bis 15 Passivhäusern geplant / Die Häuser kommen mit rund 15 Prozent des sonst üblichen Energiebedarfs aus / Statt konventioneller Heizung: Schlaues Luftsystem, Solaranlage, dichte Fugen
Die Wohnraumbeheizung beansprucht rund die Hälfte des bundesweiten Energieverbrauchs. Um die im Rahmen der Agenda 21 angestrebte Kohlendioxid-Reduzierung tatsächlich noch umsetzen zu können, müßte sich die Passivhausbauweise weiter durchsetzen. Mit einem jährlichen Heizenergiebedarf von unter 15 Kilowattstunden je Quadratmeter Wohnfläche unterschreitet sie die derzeit gültigen 100 kWh für Neubauten um ein Vielfaches. In Altbauten werden oft sogar noch mehr als 300 kWh verbraucht.
Ein in energetischer Hinsicht vorbildliches Projekt wird gegenwärtig in der Gemeinde Ganderkesee geplant. Im Laufe des nächsten Jahres soll hier ein neues Baugebiet mit eigenem Nahwärme-Netz entstehen. Eines der beteiligten Planungsbüros ist das Oldenburger Architekturbüro Team 3, das in Zusammenarbeit mit der ebenfalls in Oldenburg ansässigen Firma Beckmann Solartechnik 13 bis 15 Passivhäuser errichten will. Die energiesparenden Doppelhäuser zeichnen sich nach außen hin vor allem durch eine absolut dichte und wärmebrückenfreie Gebäudehülle mit einer 30 Zentimeter starken Zellulose-Dämmung sowie durch spezielle Passivhausfenster und eine konsequente Ausrichtung nach Süden aus.
„Bei einem Passivhaus werden die Wärmeverluste nach außen so stark verringert, daß allein die einstrahlende Sonnenwärme und interne Energiequellen wie die Abwärme der BewohnerInnen und der elektrischen Aggregate ausreichen, um den geringen Restwärmebedarf auszugleichen,“ erklären die beiden ArchitektInnen vom Team 3 ihr Passivhaus-Konzept. Auf eine konventionelle Heizung kann deshalb mühelos verzichtet werden. Und statt die aufwendig konservierte Wärme beim Lüften wieder durchs Fenster hinauszujagen, werden die Häuser über eine energie-effiziente Wohnungslüftung mit Erdreich-Wärmetauscher und integrierter Wärmerückgewinnung verfügen. „Auf diese Weise werden rund 90 Prozent der mit der Abluft abgeführten Wärme an die eingeführte Luft abgegeben“, erklärt Hartmut Beckmann. Durch einen eingebauten Pollenfilter sorgt die Anlage nicht nur für Frischluftzufuhr in Wohn- und Schlafräumen und Abluft in Bad und Küche, sondern läßt auch Allergiker aufatmen – alles in allem ein angenehmes und gut belüftetes Raumklima ohne kalte Wände und trockene Heizungsluft.
Die mit Wohnflächen von 120 oder 137 Quadratmetern geplanten Passivhäuser sollen sich um einen autofreien Innenbereich gruppieren und durch eine verdichtete Bauweise möglichst wenig Bodenfläche beanspruchen. Durch ein Verschieben der Giebelseiten oder ein Versetzen der Innenwände lassen sich die Grundrisse der Häuser flexibel verändern oder erweitern. Innen wie außen sollen die Häuser dabei weitestgehend mit wohngesunden und ökologischen Baustoffen errichtet werden. „Die Holzrahmenbauweise mit verleimten Doppel-Stegträgern aus Holz ermöglicht uns neben einer optimalen Materialausnutzung eine schwindungs- und wärmebrückenminimierte Konstruktion“, ergänzt Ulf Brannies. „Für eine hohe Luftdichtigkeit ist das absolut notwendig.“ Und weil die Heizung kaum noch Energie verbraucht und deshalb die Warmwasserbereitung den größten Energieverbrauch darstellt, haben die ArchitektInnen und Hartmut Beckmann eine effiziente Warmwasserversorgung mit Sonnenkollektoren eingeplant. Als weitere ökologische Maßnahme ist die Nutzung von Regenwasser für WC, Waschmaschinen und Gärten vorgesehen, überschüssiges Oberflächerwasser versickert.
Die Passivhaus-Siedlung ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen dem Team 3 und der Beckmann Solartechnik: Nach dem Bau des „Oldenburger Energiekontors“ – dem ersten deutschen Passivhaus-Büro – errichten sie gegenwärtig zwei weitere Passivhäuser: eines in Oldenburg, das andere im nahegelegenen Südmoslesfehn. Ein weiteres Siedlungsprojekt mit Passivhäusern soll demnächst im Oldenburger Stadtteil Etzhorn verwirklicht werden. Dringend nötig, denn gerade die Stadt Oldenburg zeichnet sich nicht gerade durch einen niedrigen Energieverbrauch aus: Durch eine hohe Zahl von Altbauten und freistehenden Einfamilienhäusern liegt der (klimabereinigte) durchschnittliche Energieverbrauch bei rund 260 kWh je m Wohnfläche und Jahr – in Bamberg sind es demgegenüber nur 156 kWh!
Als Kosten für die ökologischen Passivhäuser veranschlagen die ArchitektInnen rund zehn Prozent Mehrkosten gegenüber gewöhnlichen Niedrigenergiehäusern – kein unbezahlbarer Luxus also. Berücksichtigt man dazu die laufenden Heizkosten, die bei ungefähr zehn Mark im Monat liegen, haben sich die geringen Mehrkosten schnell rentiert.
Nach dem bundesweit ersten Passivhaus, das 1991 in Darmstadt errichtet wurde, folgten bis 1998 gerade mal 79 weitere Passivhäuser mit insgesamt 120 Wohneinheiten. Für dieses Jahr wird mit rund 90 neuen Passivhäusern gerechnet – nicht eben viel, aber immerhin! Deutliche Impulse werden in Zukunft jedoch durch die Ökosteuerreform vom 1. April und die damit verbundene Verteuerung von Gas, Strom und Heizöl, sowie durch die anstehende neue Energie-Einsparverordnung erwartet. Die neue Novelle soll im kommenden Jahr die derzeit noch gültige Wärmeschutzverordnung ablösen und weitere Energie-Einsparungen um rund 25 Prozent bringen. Und da Mitte dieses Jahres außerdem die Förderung für Niedrigenergiebauweise weggefallen ist und seitdem nur noch Mittel für die Passivhausbauweise zur Verfügung stehen, rechnen Experten damit, dass schon in den nächsten fünf Jahren mehr als 24.000 Passivhäuser hinzukommen werden. Schöne Aussichten also.
Robert Uhde
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