american pie: Die neu gegründete Football-Liga XFL startet
Großmäuliger Auftritt
My hands were clinched in fists of rage
Nach der Super Bowl beginnen normalerweise sieben Monate footballlose Zeit. Doch dieses Jahr bleibt den Baltimore Ravens nicht mal eine Woche, ihre Meisterschaft zu feiern, bevor sich die US-Öffentlichkeit fasziniert einer neu geschaffenen Profi-Liga zuwenden wird.
Das hofft zumindest Vince McMahon, Chef der XFL, deren erstes Spiel am Samstag um 20 Uhr Ortszeit in Las Vegas beginnt. Die Werbeabteilung der XFL versucht nun den Auftritt der New York/New Jersey Hitmen bei den Outlaws zum historischen Ereignis hochzuschreiben. McMahon hat bislang als Zampano der Wrestling-Liga WWF gewirkt und gilt als hauptverantwortlich dafür, inszeniertes Ringen zur Familienunterhaltung gemacht zu haben.
Noch gibt sich Marktführer NFL unbeeindruckt. Aber man kann sicher sein, dass sich die NFL-Verantwortlichen Gedanken machen werden. Der Hauptgrund: Einen 50-prozentigen Anteil an der XFL hält NBC. Während alle bisherigen Versuche, Konkurrenzligen zu installieren, an mangelnder TV-Präsenz scheiterten, werden die Spiele der acht Teams der neuen Liga am Samstagabend zur besten Sendezeit US-weit übertragen. Als Kommentator wurde Jesse Ventura gewonnen, der, bevor er zum Govener des Staates Minnesota gewählt wurde, als Wrestler unter dem Künstlernamen „The Body“ für McMahons WWF tätig war.
Die Wahl des polternden Ventura ist nur ein Teil eines Marketingkonzepts, das auf den Prinzipien von „Big Brother“ beruht. McMahon verspricht nicht nur knappere Bekleidung als bei den Cheerleadern eh schon üblich, sondern auch Interviews am Rande der Spiele, in denen Sex ebenso ein Thema sein soll wie Sport: „Wir werden ein paar provokative Dinge tun.“ Kameras und Mikrofone werden in Team- und Umkleide-Räumen installiert, jede Äußerung und emotionale Regung, ob von der Seitenlinie oder aus Team-Besprechungen, soll übertragen werden, Interviews während des Spiels möglich sein. „Wir übertragen aus den Eingeweiden der Liga“, so McMahon, „das ist Reality-TV.“ Wer jemals eine Wrestling-Übertragung gesehen hat, weiß, wie Konflikte inszeniert werden, um das Spiel interessanter zu machen. Eine „Freak Show“ erwartet New-York-Post-Kolumnist Phil Mushnick, der seit Jahren einer der größten WWF-Kritiker ist und deswegen schon von McMahon verklagt wurde: „Sie nennen es Familienunterhaltung, aber dann ist es wohl die Manson Family.“
Hauptdarsteller bei Mansons sollen vor allem Spieler und Trainer werden, die es nicht in die NFL geschafft haben oder dort bereits ausgemustert werden. Trotzdem konnten die einzelnen Teams respektierte Fachleute verpflichten. Cheftrainer in Orlando ist Galen Hall, der zuletzt mit Düsseldorf Rhein Fire den Titel der NFL Europe gewann. „Das Spiel selbst“, prophezeit deshalb Mushnick, „wird ungefähr so aussehen wie der Football in der NFL.“ Genau das Gegenteil aber verspricht die XFL. Mit weniger Vorbereitungszeit und einer kürzeren Halbzeitpause soll das Spiel wesentlich schneller werden. Damit die Chicago Enforcers, Orlando Rage, Los Angeles Xtreme und San Francisco Demons ihren martialischen Namen gerecht werden können, wurden einige Regeln wieder abgeschafft, die die NFL in den letzten Jahren einführte, um die Sportler zu schützen. „Die NFL hat aus Football verdammtes Tennis gemacht“, so McMahon, „aber wer gegenüber einem Lineman in Position geht, der weiß, dass ihm gleich der Kopf abgerissen wird.“
Nicht nur weil einige wahrscheinlich exakt das sehen wollen, dürften die Chancen für die XFL nicht schlecht stehen. Dank explodierender Spielergehälter, viel zu hoher Eintrittspreise, ständig umziehender Teams und immer mehr Luxus-Suiten in den neuen High-Tech-Stadien haben sich bereits viele Fans innerlich abgewandt. Bruce Burke, der 12 Jahre für die NFL arbeitete, bevor er mithalf, das Image der XFL zu designen, droht denn auch mit weiteren Innovationen und sagt über seinen Chef: „Die Zweifler haben keine Ahnung, was Vince noch alles im Ärmel hat.“ Für Burke steht gar eine Revolution im Geschäft mit dem Sport bevor: „Die XFL wird für immer verändern, wie Sport gesehen, übertragen und beworben wird.“
THOMAS WINKLER
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