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Mehr Dorne als Röschen

Betr.: Ein Star namens Röschen, taz Nord v. 29.12. 2004

Nachdem ich gestern Abend nach einem 16-stündigen Arbeitstag, nachdem alle meine sieben Kinder im Bett oder in die nächtlichen Vergnügungen ausgeschwirrt waren, gegen Mitternacht die taz vom Morgen aus dem Briefkasten zog, um doch noch einen Blick in die Welt zu tun, bevor mir die Augen zufallen würden, wurde ich durch „Röschen“ wieder hellwach. Natürlich habe ich nicht jeden Tag so viele Stunden mit meiner Familie zu tun. Weihnachten und der zurzeit wütende Brechdurchfall haben das Arbeitsaufkommen in die Höhe getrieben. Und wie erklärt „Röschen“ den Müttern im Land, wie man mit Großfamilie auch noch Ministerin sein kann?

Mir fehlt ja leider die Zeit, Fernsehtalkshows und inhaltslose Boulevardpresse zu lesen. Aber ich fürchte, dass sie (nomen est omen – und „von der Leyen“ lässt mich immer an das englische Wort „lie“, zu deutsch: lügen, denken), nicht mit der Wahrheit rauskommt. Ein Haus, das groß genug ist, um ihre Familie aufzunehmen, muss man aus hygienischen Gründen pro Woche sechs Stunden putzen. Ein Wocheneinkauf Lebensmittel geht nicht unter drei Stunden, wenn man Wege und das Verstauen mit einkalkuliert. Die Kinder müssen aber dann und wann noch mit Kleidern oder Schulartikeln versorgt werden. Die Wäsche wird inklusive Bügeln mindestens sechs bis sieben Stunden Arbeit pro Woche verursachen. Kinder morgens für die Schule fertig machen, ein Pausenbrot streichen, auf das Frühstück achten, das Zähneputzen noch einmal in Erinnerung rufen etc. ergibt weitere fünf Stunden; abends ins Bett bringen sieben Stunden; mit jedem Kind 15 Minuten am Tag sprechen insgesamt zwölf Stunden die Woche.

Die gemeinsame Hauptmahlzeit muss überwacht werden, um Tischsitten zu festigen, Transporte zur Schule, Kindergarten, Training oder Musikunterricht geleistet, Arztbesuche und Elternsprechstunden oder -abende abgesessen werden. Bei meiner Rechnung habe ich noch das Kochen vergessen, samt Aufräumen hinterher. Das sind dann nochmal sieben bis zehn Stunden dazu. Inzwischen bin ich bei 60 Arbeitsstunden angekommen, die nur dafür sorgen, dass der Laden läuft. Natürlich kann ich viele Anteile daraus delegieren. Aber das kostet Geld. Über die Höhe wird sich „Röschen“ nicht auslassen. Denn sonst wäre klar, dass außer ihr keiner das finanzieren könnte. Uns Normalbürgern wäre ja auch schon mit einem funktionierenden Gesamtschulkonzept und ausreichender Kindergartenbetreuung geholfen. Aber da können wir uns nichts von der niedersächsischen Sozial- und Familienministerin erhoffen, die einen niedersächsischen Kultusminister ohne Widerrede den Angriff auf die Gesamtschulen blasen lässt. Mich und andere Mütter macht diese Frau wütend. DANIELA SELBERG, Hannover

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