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Schafft „Freie Flüchtlingsstädte“!

■ Aktionen zur praktischen Solidarität mit Asylbewerbern / Evangelische und Katholische Kirche beteiligen sich / Grüne haben Angst vor der Volksmeinung und halten sich zurück

Warum sollten wir nach der Ausrufung so vieler Städte zu atomwaffenfreien Zonen nicht auch freie Flüchtlingsstädte haben?“ fragte Erich Rathfelder vor zwei Monaten auf der taz–Debatten–Seite. Was an der Westküste der USA, in Los Angeles, San Francisco und Seattle bereits erreicht ist, wurde in Bremen zum Ziel einer Initiative, die Solidaritätsgruppen und Kirchen zusammenführte: eine Stadt, in der Flüchtlinge vor der Verfolgung und Abschiebung durch die städtischen Behörden sicher sind. „Auch ich will inen Flüchtling schützen“ ist das Motto für die Patenaktion, mit der Deutsche sich schon jetzt verpflichten, einen Flüchtling zu unterstützen, bei Behördengängen zu begleiten und falls nötig auch aktiv vor einer Abschiebung zu schützen.

Gestern nachmittag präsentierte sich mit buntem Spektakel zum ersten Mal eine Initiative auf dem Bremer Marktplatz der Öffentlichkeit, deren Ankündigung schon im Vorfeld zu politischen Verwicklungen geführt hat: „Freie Flüchtlingsstadt Bremen“ heißt das Motto, unter dem sich deutsche Solidaritätsgruppen, Gruppen ausländischer Flüchtlinge und die Bildungswerke der Evangelischen und Katholischen Kirche zusammengetan haben. In einem zornigen Aufruf erläutern sie den Hintergrund ihrer Aktion. Über die „neueste Hetzkampagne gegen Flüchtlinge“, einen Bundestagswahlkampf, der „völkisch/national geführt“ werde und „lügnerische Zahlendiskussionen“ der Politiker will die Initiative nicht nur klagen, sondern in „praktischer Solidarität“ das Grundrecht auf Asyl verteidigen. Da nicht damit gerechnet werden kann, daß der Bremer Senat in absehbarer Zeit dem Vorbild der US–amerikanischen Städte Los Angeles, San Francisco und Seattle folgt und von sich aus den Schutz von Flüchtlingen vor Abschiebungen in dieser Stadt beschließt, wirbt die Initiative für „Partnerschaften“ zwischen Deutschen und Asylbewerbern. Direkter Schutz von Flüchtlingen „Auch ich will einen Flüchtling schützen“ ist der Coupon überschrieben, auf dem Deutsche ihre Hilfe anbieten können. Die reicht von der Bereitschaft, „durch Gespräche, Einladungen usw. die soziale Isolation zu durchbrechen“ bis hin zu direktem Schutz vor „Zwangsumsiedlung, Lagerleben oder Abschiebung“. Dafür erklären sich die „Paten“ bereit, bis an den Rand der Legalität zu gehen, „notfalls einen Flüchtling bei sich aufzunehmen“. Als Kontaktadressen für die Initiative fungieren das Evangelische und das Katholische Bildungswerk. Schon bevor der Aufruf in der Öffentlichkeit verbreitet wurde, meldeten sich einzelne Personen, um Spenden oder die direkte „Partnerschaft“ anzubieten. Beide Bildungswerke der Kirchen haben sich „im Alleingang“ zu Unterstützern der Initiative „Freie Flüchtlingsstadt“ erklärt. Sie bauen dabei auf den „persönlichen Einsatz einer ganzen Menge von Leuten aus den Kirchengemeinden, die im direkten Kontakt mit den Flüchtlingen stehen und wissen, was den einzelnen Menschen passiert“, erklärt Andreas Weber–Sordon, Bildungsreferent für Ausländerfragen beim Kath. Bildungswerk. Auch sein evangelischer Kollege Uwe Issen hält es für den wichtigsten Aspekt der Initiative, daß sie konkrete Handlungsmöglichkeiten für einzelne Gemeindemitglieder bietet. In den „politisch aufgeschlossenen Gemeinden“ sei das Vorbild der „freien Flüchtlingsstädte“ in den USA präsent. SPD–Senat hältsich zurück Am heutigen Donnerstag wird sich auch die Bremer Bürgerschaft mit praktischen Konsequenzen aus der Diskussion um das Asylrecht zu befassen haben. Die CDU fordert in einem Entschließungsantrag die Beschleunigung der Abschiebungen von Asylbewerbern. Die regierende SPD hält sich in der Frage zurück. Sozialsenator und Bürgermeister Henning Scherf begrüßt zwar „grundsätzlich“ das Engagement der Initiativen für Asylbewerber, traut sich aber nicht, „den Lautsprecher anzustellen und groß aufzurufen kommt alle her!“, wie sein Pressesprecher weiß. Die Grünen stellen eine recht allgemein gehaltene Erklärung im Landesparlament zur Abstimmung, in der gegen „jede weitere Verschärfung des Asylrechts“ protestiert und allgemein die Begrüßung aller Initiativen zur praktischen Solidarität und Hilfestellung für die Flüchtlinge gefordert wird - allerdings ohne Erwähnung der Initiative „Freie Flüchtlingsstadt“. Der Abgeordnete Uwe Helmke will dann auch die Bürgerschaft bitten, die Parole „Freie Flüchtlingsstadt Bremen“ als „Provokation“ und „Utopie“ zu nehmen. Grüne Skrupel Die Bremer Grünen zeigten bei ihrer Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende wenig spontane Neigung, den Aufruf der Initiative zu unterstützen. Der Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich befürchtete, mit der Forderung nach Ausweitung des Asylrechtes den „Bürger auf der Straße“ zu verschrecken und damit letztlich dem eigentlichen Ziel einer größeren Ausländerfreundlichkeit entgegenzuarbeiten. Die meisten Redebeiträge zu diesem Tagesordnungspunkt gingen in die gleiche Richtung, mehrere Mitglieder forderten die Initiative auf, das Motto „Freie Flüchtlingsstadt“ ersatzlos zu streichen, denn es sei „nicht offensiv sondern aggressiv“. Allein die Notbremse einer Rücktrittsdrohung des Landesvorstandssprechers und Mitinitiators der Initiative, Günther Kahrs, und dessen Aufruf an die Grünen, nicht hinter den politischen Bewußtseinsstand der katholischen Kirche zurückzufallen, führten in der Abstimmung zu einer deutlichen Befürwortung des Aufrufs zur „Freien Flüchtlingsstadt“. Sympathisanten aktivieren Nachdem die Hamburger GAL auf ihrer letzten Mitgliederversammlung das „Niederlassungsrecht“ für Ausländer in den Forderungskatalog für die Tolerierung einer möglichen SPD–Minderheitsregierung nach der Bundes tagswahl aufgenommen hat, droht den Grünen nun eine Kontroverse in dieser Frage auch auf Bundesebene. Die Bonner Fraktion wird sich heute und morgen in einer Klausur mit Vorschlägen für die Einführung eines „Bleiberechtes“ für alle Flüchtlinge befassen müssen. Der Berliner Abgeordnete Ströbele kalkuliert selber, daß mit einem solchen Recht „die Bundesrepublik tatsächlich zum Zufluchtsland für Hunderttausende Flüchtlinge würde“. Seine Begründung dieser Forderung wird sicher nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen: „Erst wenn die Bundesregierung die Verantwortung für alle Flüchtlinge akzeptiert, die hierhergekommen sind, wird sie auch bereit sein, ausreichend wirksame Hilfe in den sog. Hauptflüchtlingsländern zu leisten.“ Die Bremer Initiative orientiert ihr politisches Ziel dagegen ganz nah an den Möglichkeiten vor Ort. „Unsere Zielgruppe ist nicht die große Mehrheit der Bevölkerung, wir wollen die 25 Prozent aktivieren, die nicht ausländerfeindlich sind. Das ist schon ein sehr hochgestecktes Ziel“, erklärt ein Sprecher. Dirk Asendorpf

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