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Streit und Zank um Atom–Gutachten

■ Kohl fühlt sich durch „überraschende Veröffentlichung“ überrumpelt / Gutachter hält Einwände der Industrie für unhaltbar

von Raul Gersson

Berlin (taz) - Mit der überraschenden Veröffentlichung des positiven Ausstiegsvotums des Rheinisch–Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) sei man gegenüber der SPD–Opposition in die Devensive geraten, beschwerte sich Kohl in einer Kabinettssitzung. Weil man nicht informiert worden sei, habe er sich nicht auf eine politische Gegenaussage vorbereiten können. Das Kanzleramt sei schon am 21. August informiert worden, behauptet das Bundeswirtschaftsministerium. Für eine Kommunikationspanne im Kanzleramt sei man nicht verantwortlich. Auch Bundeswirtschaftsminister Bangemann, soeben von einem Besuch Chinas nach Bonn zurückgekehrt, wies die gegen sein Haus gerichtete Kritik zurück. Für eine ernsthafte Prüfung der Vor– und Nachteile der Kernenergie müßten „nicht nur Analysen von Befürwortern sondern auch von Gegnern der Kernenergie“ betrachtet werden. Die SPD–Führungsspitze hat inzwischen an Kohl appelliert, mit der SPD gemeinsam den Ausstieg aus der Atomenergie in die Wege zu leiten. In einem vom SPD–Vorsitzenden Brandt und seinen Stellvertretern Vogel und Rau unterzeichneten Brief heißt es, beide Gutachten böten eine wissenschaftliche Grundlage zu einer Neubesinnung auch in der CDU. Fast gleichlautend sind die Stellungnahmen zu den Gutachten von Seiten der deutschen Wirtschaftsverbände. Ob Atomforum oder Industrieverband, der Tenor lautet: Sowohl das RWI wie auch die Arbeitsgemeinschaft aus Freiburger Öko–Institut und Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung hätten die Kosten des Ausstiegs falsch berechnet, weil sich Öl und andere fossile Energieträger weltweit enorm verteuern würden, folgten andere Länder einem deutschen Ausstieg aus der Atomenergie. Der Berliner Professor Martin Jaenicke, einer der Gutachter, hält diese Behauptung für unhaltbar. Weltweit würden nur vier Prozent des Energiebedarfs durch Atomenergie gedeckt, eine dramatische Verteuerung von Öl und Kohle zum Beispiel sei deshalb auch bei einem Ausstieg weiterer Länder praktisch auszuschließen. Der Haushaltsexperte der CSU, Michael Glos, kritisierte indes den Gutachterauftrag heftig. Die damit verbundene Vergabe von Steuergeldern werde Anlaß geben, die entsprechenden Titel des Wirtschaftsministeriums eingehend zu durchforsten.

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