Es war ein Spiel auf kein Tor

■ UEFA–Cup: VfL Borussia Mönchengladbach - Partizan Belgrad 1:0 / Beängstigende Borussen

Zuversicht grassiert bei der Hälfte der bundesdeutschen Europacup– Delegation. „Ich fresse einen Besen, wenn wir jetzt im Rückspiel noch aus den Latschen kippen“, versprach Uerdingens Torwart Vollack nach dem 3:0 über den FC Jena. Leverkusen siegte in Kalmar (Schweden) mit 4:1, und Trainer Ribbeck frohlockte ein wenig voreilig: „Wir haben die nächste Runde erreicht.“ Zufrieden sind auch die Münchner Bayern, die in Eindhoven glücklich mit 2:0 gewannen. Katzenjammer hingegen bei den bewährten Erstrundenaussteigern Bremen und Stuttgart. Werder verlor 0:2 bei Atletico Madrid, und auch Stuttgarts 1:0 gegen Trnava ist alles andere als ein dickes Polster. Die größte Überraschung vollbrachten die Flamurtaris aus Albanien, die dem schusterlosen FC Barcelona in ihren heimischen Bergen ein 1:1 abtrotzten. Unser Reporter verbrachte einen traurig–wehmütigen Abend in Mönchengladbach: Gladbach (taz) - Tempora mutantur - alles ändert und wandelt sich. Waren das Zeiten, als sich Günter Netzer durch neuentdeckte Raumtiefen hindurch dimensionierte und das Lederding einem Rohei gleich über den Platz schaufelte, als Vogts die perfekte Blutgrätsche kreierte, als Bernd Rupp sich durch die Leiber der Gegenspieler zu wuchten verstand, als Wimmers Lauffreude noch die des unvergessenen Harald Norpoth übertraf, als noch Henning Jensen in Gladbach kickte, und Heynckes und Del Haye und die Wuchtbrumme Rainer Bonhof. Das war das legendäre Damals. „Ob Süden, Norden, Osten, Westen; Heppos Frauen sind die Besten; Harem–Bar, Arsbeck, An der Kirche“ - diesem Halbzeit– Werbespruch am Dienstagabend entspricht das derzeitige Niveau des „Vereins für Leibesübungen Borussia Mönchengladbach“. Beängstigend ängstlich und beängstigend sturmschwach zeigten sie sich zum Auftakt der Europapokalrunde gegen Partizan Belgrad. Es war ein Spiel auf kein Tor, stattdessen 90 lange Minuten verkrampftes Mittelmaß im Mittelfeld. Die Partisanen waren äußerst versiert in der Abwehr, technisch zeitweise brillant und überraschten die Besucher mit drei langmähnigen Spielern. Auch hier - changing times: war doch früher der östliche Einheitskurzschnitt obligat. Die Jugoslawen spielten kombinationssicher und trickreich, aber vorne harmlos. Gladbach dagegen tricklos, aber überall harmreich. Besonderes Grauen überkam die Fans, wenn sich Günter Thiele, Millioneneinkauf aus Düsseldorf, Richtung Spielgerät bemühte. Seine beste Szene war der freie Trab zur Auslinie, als er in der 74. Minute gegen den dribbelstarken, aber wirkungslosen Altlinken Ewald Lienen verwechselt wurde. Borowka war er schreckend fehlpaßsicher, Bruns hat aus seiner schlitzohrigen und schußstarken Vergangenheit nur die bewährte Gesichtsbräune hinübergerettet, und Frontzeck, der jetzt wieder in des Kaisers Reihen zurückkehren soll, hat mit 22 schon den Zenit fußballerischer Schaffenskraft hinter sich. Wie ihn Belgrads vollbärtiger Rechtsaußen Djelmas manchmal umkurvte, müßte DFB–Beobachter Horst Köppel nachdenklich gestimmt haben. Rahn (Uwe, nicht Helmut) und der zuletzt gelobte Ex–Aachener Brandts (mit der anmaßenden „10“ auf dem Rücken) zermürbten sich in Zweikämpfen, einzig Dirk Bakalorz ließ momentweise spielerisches Potential erahnen. Daß Borussias österreichisches Kraftpaket Bernd Krauss in der 24. Minute das Tor traf, verdankte er einer abgefälschten Flanke des frechen Jungverteidigers Winkhold und dem hilfsbereiten Innenpfosten. Nullnull hätte besser gepaßt. Und so ließ die Tristesse dieses Abends den enttäuschten taz–Reporter rätseln, wie diese Borussia (bislang sieglose 3:9 Punkte in der Bundesliga) von der sonst so kompetenten Berliner taz–Sportredaktion vor Saisonstart zum gewagten Meisterschaftsfavoriten gekürt werden konnte. Eher schafft ja noch der 1. FC Köln den Klassenerhalt. Abwarten, d. taz–Prophet Dem zerfahrenen und freistoßfülligen Spiel wohnten (wahrscheinlich noch hochgerundet) ganze 5.000 schlafbedrohte Menschen bei. Einzig die Polizeitribüne war voll besetzt. Die Leere war auch kein Wunder bei einer ZDF–Live–Übertragung. Das ist der Trend im bundesdeutschen Kickwesen: 200.000 Mark vom TV kassieren, das Gleiche von der (Banden–) Werbebranche, und die Besucherzahl ist zweitrangig. Bald lohnen die Kosten des Ordnungsdienstes nicht mehr, die Stadiontore überhaupt zu öffnen. Borussen–Trainer Heynckes kritisierte nachher diese Finanzpolitik des Vorstandes: „Da war kein Europapokalfluidum, nichts. So eine spärliche Kulisse habe ich noch nicht erlebt. Sportlich war das ein klarer Nachteil für uns.“ Zum Belgrader Partisanenkampf im Rückspiel werden 50.000 erwartet. Einzig der allgegenwärtige Bratwurstgeruch im Bökelberg– Stadion (der mit Abstand intensivste der Liga) hat sich bis heute gehalten. Auch die Stadionzeitung heißt vergangenheitsfrömmelnd weiterhin „Fohlen–Echo“. Aber, welch Frevel! Steht daselbst die Überschrift: „Und nach dem Spiel...“ Jeder Fußballkenner wird traumsicher, Herberger zu Ehren, fortführen: „...Ist vor dem Spiel.“ Doch heute wirbt der Verein für die heimische Alk–Spezialität Nr. 1. Wir lesen: „Und nach dem Spiel... Hannen Alt.“ Die Sitten verfallen. O Tempora, o mores. Bernd Müllender MÖNCHENGLADBACH: Kamps - Bruns - Winkhold, Borowka - Krauss, Drehsen, Rahn, Bakalorz, Frontzeck - Brandts, Thiele (72. Lienen) BELGRAD: Omerovic - Caplic - Vermezovic, Radanovic, Sadriu - Djelmas, Katanec, Zupic, Vucicevic, Suajic (88. Pantic) - Vokri (66. Bogdanovic)