Die Drecksarbeit privatisiert

■ Zum Verkauf der „Neuen Heimat“

Ein mittelständischer Brotfabrikant kauft einen Baukonzern, dessen Wohnungsbestände einen Marktwert von rund zehn Milliarden Mark darstellen und dessen Schulden sich auf 17 Milliarden Mark belaufen. Mücke frißt Elefanten - und wir sollen glauben, da sei eigentlich kaum etwas Ungewöhnliches zu vermerken. Für wie naiv hält der DGB eigentlich die in Sachen Neue Heimat leidgeprüfte Öffentlichkeit, wenn er uns diesen letzten Akt eines jahrelangen unwürdigen Trauerspiels unter dem Stichwort „Erhalt der Sozialbindung“ vorführt? Viel offener war da das für Gemeinwirtschaft zuständige DGB–Vorstandsmitglied Helmut Teitzel, als er vor ein paar Tagen äußerte, daß man eben zu „marktwirtschaftlichen Lösungen“ für die Neue Heimat kommen müsse, wenn es mit dem Verkauf an regionale gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften nicht vorwärtsgehe. Diese Variante werde angesichts der bösartigen Regierungspolitik „immer wahrscheinlicher“, deutete er an und wußte dabei ganz genau, daß die NH– und BGAG–Manager bereits mit Herrn Schiesser am Verhandlungstisch saßen. Ausnahmsweise ist dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht zuzustimmen: „Das riecht schlecht.“ Da stimmt was nicht. Denn warum soll Herr Schiesser eher in der Lage sein, den mit 17 Milliarden verschuldeten Konzern zu sanieren als der bisherige Besitzer, die gewerkschaftliche Holdinggesellschaft BGAG? Der Konzern sei ein Faß ohne Boden, meinten die gewerkschaftlichen Aufsichtsräte. Wenn das stimmt, ist der Konkurs unvermeidlich und damit auch der Verlust der Sozialbindung. Als Erklärung bleibt nur, daß der DGB diese letzte anstehende Drecksarbeit vor den Wahlen an einen Privatunternehmer delegieren will. Der spekuliert womöglich darauf, daß er selbst - bei den Größenordnungen, um die es geht - dabei auch noch einmal kräftig absahnen kann. Martin Kempe