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„Von Notwehr kann keine Rede sein“

■ 55 jähriger Münchner Studiendirektor erschoß jugendlichen Autoknacker / Freund verletzt / Haftbefehl wegen versuchten und vollendeten Totschlags / Bei Kollegen und Schülern als „besonnener Mensch“ gegolten

Von Luitgard Koch

München (taz) - „Er war kein Pauker, sondern einer, der sich immer um die Schüler gekümmert hat. Man konnte jederzeit zu ihm kommen, und er hat die Aufgaben solange erklärt, bis man sie verstanden hat“, erzählt ein Schüler des 55jährigen Münchner Studiendirektors an der Fachhochschule im Münchener Stadtteil Giesing, Wolfgang K. Der Pädagoge und Hobbyjäger reagierte jedoch in der Nacht von Sonntag auf Montag anders. Als er frühmorgens um drei Uhr aufstand, um sich etwas zu trinken zu holen, bemerkte der Vater von drei Kindern im Alter von 18, 25 und 27 Jahren, wie zwei Jugendliche das Seitenfenster des Autos eines seiner Söhne einschlugen. Als Wolfgang K. die Haustür öffnete, versuchten die beiden Jugendlichen zu flüchten. Wie ein Gutachten des Landeskriminalamtes ergab, verfolgte der Lehrer die Jugendlichen und schoß aus wenigen Metern Entfernung zweimal auf die beiden. Der 16jährige Michael T. brach mit einem Kopfstreckschuß zusammen, sein Freund Alexander F. wurde am Bein getroffen. Der Studiendirektor, der einen Jagdschein und eine Besitzkarte für fünfzehn Waffen hat, alarmierte daraufhin selbst die Polizei und den Notarztwagen. Als „nicht anormal“ bezeichnete es die Münchner Polizei, daß ein Hobbyjäger 15 Waffen besitzt. Der Arzt konnte bei dem 16jährigen nur noch den Tod feststellen. Wegen versuchten und vollendeten Totschlags wurde daraufhin Haftbefehl erlassen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Wolfgang K. mit „bedingter Tötungsabsicht“ gehandelt. „Von Notwehr kann keine Rede sein, aufgrund der kurzen Distanz hat der Studiendirektor in Kauf genommen, daß jemand stirbt“, so der leitende Staatsanwalt Hubert Vollmann. Der Lehrer selbst verweigert auf Anraten seines Anwalts jede Aussage. Straffällig war er noch nicht geworden. Auch sein Kollegium schätzte den Studiendirektor. Für ihn sei die Schule nicht mit dem Klingelzeichen beendet gewesen, immer wieder habe er Konflikte zwischen Schülern und Lehrern oder Lehrer und Schülern geschlichtet und galt als „besonnener Mensch“. Nur aufgrund von Fingerabdrücken konnte die Polizei den erschossenen 17jährigen Michael aus dem Dorf Kleinschwarzenlohe bei Nürnberg identifizieren. Am 27. Juli war der ehemalige Heimzögling, nicht zum ersten Mal, von zuhause ausgerissen. Erst einen Monat später ging seine Mutter Christa (42) zur Polizei in Schwabach und erstattete Vermißtenzeige. Nach der neunten Klasse Volksschule hatte Michael eine Metzgerlehre begonnen, die er jedoch vorzeitig abbrach. Seinen Begleiter Alexander F. lernte er möglicherweise auf dem Oktoberfest kennen. Der 17jährige Alexander F. liegt mit einer schweren Schußverletzung am Bein im Klinikum Großhadern. Ärger mit der Polizei hatte er bisher nur wegen Verkehrsdelikten. Bei seiner Vernehmung im Krankenhaus gab er zu, daß er zusammen mit Michael sieben weitere Autos aufgebrochen habe. Er arbeitete zuletzt als Aushilfe in einer Pizzeria. Davor hatte er eine Lehre als Einzelhandelskaufmann begonnen. Seine Eltern leben getrennt. „Die haben sich kaum um ihn gekümmert“, glauben ehemalige Klassenkameraden, die ihn als Einzelgänger schildern.

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