Kronzeugenregelung und kein Ende

■ Innenausschußvorsitzender Wernitz (SPD) signalisiert Kompromißbereitschaft / Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Penner (SPD) erstaunt / In der FDP immer mehr Stimmen gegen Kronzeugenregelung

Aus Bonn Oliver Tolmein

Die Diskussion über die Kronzeugenregelung beschäftigt in Bonn auch weiterhin die Gemüter. Für Unruhe in der SPD–Bundestagsfraktion hat ein Interview des Vorsitzenden des Innenausschusses, Dr. Axel Wernitz (SPD), mit dem Kölner Express geführt. Wernitz hat in dem vorab veröffentlichten Gespräch gesagt: „Wenn Mörder nicht mehr straffrei ausgehen können, dann kann man über alles andere reden, bis hin zu sonstigen Kronzeugen aus dem Kreis der Terroristen.“ Gegenüber der taz erläuterte Wernitz diese nur seine persönliche Meinung wiedergebende Passage: Er greife damit den von Otto Graf Lambsdorff in die Dis kussion gebrachten Vorschlag auf, den Geltungsbereich der Kronzeugenregelung zu beschränken. Außerdem behalte er seine skeptische Grundposition selbstverständlich bei. Er wolle lediglich verhindern, daß in der Wahlkampfzeit nur noch „reine Klischees“ produziert würden. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD–Bundestagsfraktion, Dr. Wilfried Penner, zeigte sich gegenüber der taz über den Vorstoß seines Fraktionskollegen erstaunt: „Das sind Überlegungen, die meiner Meinung nach in die Irre führen, denn die Straffreiheit auch für Mörder ist das Zentrum dieses Koalitionsgesetzentwurfes, der ja auf den inneren Kern der Terroristen zielt.“ Außerdem sei jede Art von Kronzeu genregelung unserer Rechtsordnung wesensfremd. Innerhalb der FDP sind die Auseinandersetzungen demgegenüber sehr viel weiter gediehen. Hans Dietrich Genscher nahm, ohne selbst gegen die Kronzeugenregelung zu argumentieren, auf dem Bundeskongreß der Jungen Liberalen deren Kritiker, vor allem Burkhard Hirsch und Gerhard Baum, innerhalb seiner Partei vor Attacken der CDU/CSU in Schutz. Genscher sagte, in der Partei solle eine neue Diskussion zwischen Wirtschafts– und Rechtsliberalen vermieden werden. Überdies ließe die FDP sich ihre Politik nicht vom Bayernkurier vorschreiben. Demgegenüber hat sich gestern der die Kronzeugenregelung befürwortende Generalsekretär Haussmann auf der FDP– Präsidiumssitzung einen Fluchtweg offen gehalten, falls die Parteistimmung sich noch stärker gegen die Einführung der Kronzeugenregelung richtet als bisher: Die Einführung dieses Instruments werde innerparteilich sehr sorgfältig erwogen werden. Vor allem die Ergebnisse der für den 14. November angesetzten Anhörung würden die Entscheidungsfindung des Bundesparteitages am 21. und 22. November beeinflussen. Der Vorsitzende der baden– württembergischen FDP, Döring, hat unterdessen seine Partei aufgefordert, einer Kronzeugenregelung nur dann zuzustimmen, wenn „Mördern dabei keine Straffreiheit, sondern nur Strafminderung gewährt wird“.