: Säuberungen ohne Rechtsgrundlage
■ Grüner Ströbele kritisiert Erweiterung des Paragraphen 129a / Aus „unangepaßte“ werden „terroristische Gewalttäter“ / Zimmermann spricht nach Razzia in Düsseldorf von Erfolgen
Bonn (taz) - Der grüne Abgeordnete Ströbele befürchtet einen neuen „Deutschen Herbst“: Die Durchsuchung und Teilräumung der besetzten Häuser der Hamburger Hafenstraße wegen einer RAF–Hauswandparole sowie die Hausdurchsuchungen in der Düsseldorfer Kiefernstraße seien „vergleichbar“ mit der Terroristen–Hysterie der 70er Jahre, erklärte Ströbele gestern vor der Presse. So würden Gewalttaten und Anschläge von der Bundesregierung zu einer „Säuberungsaktion ohne rechtliche Grundlage“ mißbraucht. Die Durchsuchungen bezeichnete Ströbele als „Versuch, gegen Unangepaßte vorzugehen“ und „im Rahmen einer Hysterie Probleme zu lösen, die schon länger anliegen“. Auch die „Anti–Terror–Gesetze“, die morgen von den Regierungsparteien für eine erste Lesung im Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt wurden, „richten sich eigentlich gegen Unangepaßte“, die nun zu „terroristischen Gewalttätern“ gemacht würden, sagte Ströbele weiter. Die Erweiterung des Paragraphen 129a ziele auf Personen, die im Verdacht stünden, Strommasten zu sägen, wegen Munitionszügen Weichen zu blockieren oder in Wackersdorf Baumaschinen anzuzünden. So könnten Sonderhaftbedingun gen (Trennscheibe, Kontaktsperre) auf diese Personen ausgedehnt und Verdächtige ohne Haftgrund inhaftiert werden. Unterdessen hat Innenminister Zimmermann die Durchsuchungen in Düsseldorf vor dem Innenausschuß als Erfolg bezeichnet. Dort habe es mehrere Festnahmen gegeben: Ein Feuerlöscher, Puderzucker, Unkraut–Ex und einige Erklärungen seien gefunden worden, erläuterte der Innen minister gestern den Abgeordneten. Auf die Frage, ob der Feuerlöscher präpariert gewesen sei, ob das Unkraut–Ex aus derselben Wohnung stamme, verweigerte Zimmermann die Antwort. Auf die Frage, weshalb die in Düsseldorf eingesetzten Beamten vermummt und mit geschwärzten Gesichtern in die Wohnungen eingedrungen sind, konnte der Innenminister ebenfalls nicht beantworten. Ströbele darf nicht reden Nach einer längeren Gewaltdebatte hat die grüne Fraktion am späten Dienstagabend entschieden, bei der ersten Lesung der „Anti–Terror–Gesetze“ den Abgeordneten Norbert Mann und nicht Christian Ströbele an die Rednertribüne zu schicken. Offenbar habe ein Teil der Fraktion „das Gefühl“, daß er zuviel rechtfertigen könnte, kommentierte Ströbele die Entscheidung. Er habe gefordert, den Dialog mit jenen, die z.B. Strommasten umsägten oder Baumaschinen anzündeten, nicht abbrechen zu lassen. „Man muß auch sehen, daß Regierungen immer nur ernsthaft reagieren, wenn solche Gewalttaten angewendet wrden“, sagte Ströbele zur taz. Norbert Mann hatte in der Debatte dagegen gefordert, die „grüne Perspektive in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus“ deutlich zu machen. „Da muß man auch in den eigenen Reihen klarstellen, daß Gewalt gegen Sachen nicht vertretbar ist“, so Mann. Auf einer Pressekonferenz vor ca. zehn Tagen hatte er u.a. das neue Fahndungskonzept unterstützt. Der taz gegenüber sagte Norbert Mann, er sei im Rechtsausschuß für die neuen Gesetze zuständig und das habe bei dem Beschluß eine Rolle gespielt.
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