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Realpolitischer Konflikt

■ Hessens Umweltminister Fischer will Giftmüll in Hoheneggelsen deponieren / Parteifreunde in Niedersachsen bekämpften Deponie

Aus Hannover Jürgen Voges

„Ich bin von Herrn Fischer einfach enttäuscht“, sagt der Vorsitzende der BI Hoheneggelsen gegen Giftmüll, der Rechtsanwalt Eberhard Wittich. Jahrelang hätten die Grünen die BI beim Kampf gegen die Giftmülldeponie erheblich unterstützt. Und jetzt wolle ausgerechnet der erste Grünen– Umweltminister in Hoheneggelsen Gift abladen. Für Fischers Pressesprecher Georg Dick ist Hoheneggelsen allerdings erstmal nur eine „Option für unsere Giftmüllprobleme unter anderen“. Durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt, das einen Teil der Giftmüllexporte aus Hessen in die DDR–Deponie Schönberg untersagt hat, sei man ganz aktuell unter Druck geraten. Vom Sprecher des niedersächsischen Umweltministeriums war allerdings zu erfahren, daß Lieferungen aus Hessen im Rahmen eines länderübergreifenden Konzepts schon länger im Gespräch sind. Hessen plant demnach, bestimmte Abfälle aus Niedersachsen in der Untertagedeponie Herfa–Neurode aufzunehmen, um im Gegenzug Chemieabfälle in die andere Richtung nach Hoheneggelsen zu schicken. Niedersachsens Grüne bringen die hessischen Pläne allerdings in arge Verlegenheit. „Jetzt schaffen auch schon die Grünen die Altlasten der Zukunft“, so kommentierte gestern der Chemiker Dr. Michael Braungart Fischers Vorhaben. Für Braungart würde Fischer mit Lieferungen nach Hoheneggelsen genau das Deponiekonzept unterstützen, das er in Hessen durch die Schließung der Deponie Mainhausen gerade abgelehnt habe. Das Konzept des Vergrabens von Gift im Hoheneggelser Tongestein ist für ihn „illusorisch, antiquiert und nur eine reine Vortäuschung von Sicherheit“. Es sei einfach eine Tatsache, daß es unter den 80.000 Chemikalien, die auf Giftmülldeponien vorkämen, es genügend gebe, die Ton mit Leichtigkeit durchwandern. In der Grünen–Landtagsfraktion in Hannover stoßen Fischers Pläne allerdings auf mehr Verständnis. „Ich befinde mich da in einem realpolitischen Konflikt“, lautete der erste Kommentar des Giftmüllexperten der Fraktion, des Landtagsabgeordneten Hans Mönninghoff. Natürlich sei der einzige Weg, die anfallende Giftmüllmenge zu reduzieren. „Aber in Hoheneggelsen sind die hessischen Abfälle immerhin noch besser aufgehoben als in Schönberg in der DDR“, begründet er seinen Schwenk um 180 Grad. Die BI hat gerade zusammen mit der „Feldmarkinteressenschaft“ 18.000 DM für Bohrungen zusammengekratzt. Über den Nachweis, daß die Deponie undicht ist, will die BI vor Gericht deren Schließung erzwingen. Seit dem Giftmülluntersuchungsausschuß des niedersächsischen Landtages sei bekannt, daß dort u.a. in Abfällen von Boehringer mindestens zehn Kilo reines TCDD lagern, die eine Sanierung des Geländes dringend erfordern.

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