: Ist der Rechtsstaat glaubwürdig?
■ Streitgespräch zwischen Henning Scherf, Polizeipräsident Ernst Diekmann, Heinrich Albertz und dem Ex–RAF–Anwalt Horst Mahler über „Soziale Bewegungen, Abbau des Rechtsstaates und Terrorismus“
Aus Bremen Klaus Wolschner
„Der Streithammel muß wohl ich sein“, meinte Bremens Polizeipräsident Ernst Diekmann am Dienstag abend in der oberen Rathaushalle. Hier sollte ein „Dialog mit dem Bürger“ stattfinden, und die Veranstaltungsregie des stellvertretenden Bremer Bürgermeisters Henning Scherf hatte den Polizei–Mann zwischen den Berliner Ex–Bürgermeister Heinich Albertz und den Ex–RAFler und Anwalt Horst Mahler gesetzt. Gut zwei Stunden hörten sich 400 Interessierte, Staatsbedienstete, Bürgerinitiativen–Vertreter und Aktivisten aus dem Bremer Autonomen–Spektrum gegenseitig zu. Polizeipräsident Diekmann wußte sich brillant der ihm zugedachten Rolle zu entziehen: Er pries den Staat als „höchste Form menschlichen Zusammenlebens“. Der Polizei, flunkerte Diekmann, komme kein „Ermessensspielraum“ zu, sie habe die Mißachtung der Gesetze zu sanktionieren - kontrolliert durch die politisch verantwortlichen Instanzen und durch die Justiz. „Rechtsstaat“ sei allein Sache der Politik und des Spiels um die Mehrheit. Da mochte Heinrich Albertz auf die Demonstrations–Behinderung bei der letzten Anfahrt nach Brokdorf verweisen oder auf die Tatsache, daß AKW–Betreiber und Chemiekonzern–Manager immer noch als ehrenwerte Menschen gelten, daß die Aufstellung der Raketen „legal“, jeder zivile Ungehorsam dagegen aber im Verdacht der „Nötigung“ stehe - an der Diekmannschen Verkörperung der Rechtsposition prallten solche Versuche von „Streitgespräch“ ab. Horst Mahler, der allgemeine Betrachtungen über die Rolle des Marxismus in den vergangenen 20 Jahren anstellte, überließ es Albertz, das Thema zu formulieren. Wie kann der Rechtsstaat glaubwürdig sein angesichts der Vernichtungspotentiale und der ökologischen Katastrophen? Wie kann er es angesichts des Mangels an „Großzügigkeit eines demokratischen Staates“ gegenüber Terroristen, die zurückkehren wollen? Wie angesichts der „Mondmenschen“, die heute auf der Straße für Ordnung sorgen wollten? Das „Ungleichgewicht der Reaktion“ staatlicher Gewalt lasse auch ihn manchmal verzweifeln, erklärte Albertz, (Und mich erst - der verzweifelteste Layouter) und politischer Mord wie der Terrorismus, diese „blutige, schreckliche Illusion“ sei doch nur Ergebnis des Gefühls, ohne Gewalt nichts mehr ausrichten zu können. Die Diskussions–Veranstaltung sollte Öffnung signalisieren. Doch gerade der Veranstalter Scherf mußte sich vorwerfen lassen, er winde sich mit seinen „salbungsvollen Worten“ heraus. Er verwies auf soziale Hintergründe der Gewalt, mußte sich dann aber fragen lassen, ob nicht gerade sein Ressort diese Spaltung der Gesellschaft noch vertiefe.
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