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Bauchredner Kohl

■ Kohls Vergleich zwischen Sowjetführern und Faschisten

Wenn ein zum Bundeskanzler aufgestiegener Stammtischpolitiker aus dem Bauch heraus redet, darf man sich über das Niveau seiner Äußerungen nicht beschweren. Was dieser Mann von sich gibt, ist nicht auf eigenem Mist gewachsen, sondern drückt das dumpfe Verlangen der schweigenden Mehrheit aus, es müsse nun endlich Schluß sein mit den selbstquälerischen Rückblicken auf die deutsche Vergangenheit. Die Göttinger Äußerungen werden dem Ansehen Kohls in der Bevölkerung ebensowenig schaden wie sein Vergleich Gorbatschows mit Goebbels. Was Kohl gesagt hat, ist gleichsam die Verallgemeinerung seines Personenvergleichs zwischen Gorbatschow und Goebbels: daß das Sowjetsystem zwar prinzipiell mit dem Faschismus gleichzustellen sei, nur die Führungspersonen eben unterschiedlich agieren. Die Faschisten waren abenteuerliche, die Sowjetführer sind realistische Verbrecher - so könnte man Kohls Göttinger Satz auch formulieren. Und wir, die „Demokraten“, darf man getrost im Sinne Kohls ergänzen, haben mit beidem natürlich überhaupt nichts (mehr) zu tun. Kohl ist, wie die von ihm apostrophierten „sowjetischen Führer“, Realist genug, die Notwendigkeit eines geregelten Nebeneinanders zwischen den Blöcken in Europa zu erkennen. Dieses hat es auch während des Kalten Krieges gegeben. Die Kohlsche Methode, die Sowjetpolitiker unter dem Tisch vors Schienbein zu treten und ihnen über dem Tisch die Hand entgegenzuhalten, ist konsequenter Ausdruck einer Politik, die aus dem Ressentiment lebt und den Dialog nicht mehr will. Martin Kempe

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