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I N T E R V I E W „Mit der Nase draufgestoßen“

■ Interview mit Jens Scheer zur Lage der Anti–AKW–Bewegung nach der Bundeskonferenz

taz: Was ist für Dich Ergebnis dieser Konferenz? Scheer: Daß die BUKO trotz Verbot durchgeführt wurde, ist ein Riesenerfolg. Vor allem sind wir der Bundesfachschaftstagung Biologie zu ungeheurem Dank für ihre Solidarität verpflichtet. Sie haben mich eingeladen, eine Vorlesung zur Lage nach Tschernobyl zu halten. Wir konnten dort vier Stunden tagen. Außerdem ist wichtig, daß nach dem Plenum sogar noch in drei Arbeitskreisen diskutiert werden konnte. Einmal zur politischen Lage nach dem Verbot in Zusammenhang mit der bevorstehenden Verabschiedung der Gesetze zur Terrorbekämpfung und der zunehmenden Kriminalisierung, weiter die konkreten Schritte des Anti–AKW–Kampfes sowie die konkrete Fortführung der BUKO. Was wurde beschlossen? Vor allem soll mit aller Kraft und politischem Druck durchgesetzt werden, daß die nächste BUKO Mitte Februar in Bayern stattfindet. Das bedeutet, daß die politische Basis gewaltig verbreitert werden muß. Wir wollen den anderen AKW–Widerstand, wie die Mütter gegen Atomkraft oder die Ärzte gegen Atomtod und vor al lem die Gewerkschaften mit einbeziehen. Aber nicht nur formal, sondern wie in Braunschweig, wo wir ein weites Feld von Unterstützung hatten. Wir haben drei weitere AKs (Bequerel und Stillegung, medizinisches Personal und Gewerkschaftsbewegung) hinzugenommen und einen Trägerkreis gebildet, der sich an die Gruppen mit der Bitte um einen Beitrag für den nächsten Reader und zu den Arbeitskreisen wendet. Warum hat man nicht schon vorher diese Gruppen miteinbezogen? Das war ein Mangel der bisherigen Bewegung. Die hatten schlicht keine Kenntnis voneinander. Das ging soweit, daß sie in einzelnen Orten nichts voneinander wußten. Hinzu kamen die Vorurteile: hier „bequerel–borniert dort Steinewerfer. Es wurde so eindimensional in Schablonen radikal und nicht radikal gedacht. Meine persönliche Erfahrung ist, daß z.B. Mütter gegen Atomkraft genauso radikale Ansichten haben. Bereits in Hamburg und Frankfurt wurde ja gesagt, daß wir mit diesen Gruppen Kontakt aufnehmen wollen. Das wurde jedoch nicht umgesetzt. Durch das Debakel hier sind wir mit der Nase draufgestoßen worden. Das Verrückte an der momentanen Situation ist ja der Widerspruch zwischen der Stimmung in der Bevölkerung und dem Zustand der Anti–AKW–Bewegung. Das Unbehagen gegenüber dem Staat, die Angst, Sorge und das Mißtrauen ist so groß wie nie zuvor in der Geschichte der BRD, ähnlich wie 1952 bei der Wiederbewaffnung. Und die dafür zuständige Bewegung ist so desorganisiert wie noch nie. Was sind Deiner Meinung nach die Hintergründe für das Verbot? Der Kern der ganzen Geschichte ist die Absicht, die neuentstandene Bewegung von der organisierenden Kraft zu spalten; zu verhindern, daß dieses spontane Bewußtsein und die langjährige organisatorische Erfahrung zusammenkommen.

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