: Stimmengewinne für baskisches Lager
■ Bei den Wahlen im Baskenland erhielten die Sozialisten die meisten Sitze / Konservative erlitten empfindliche Niederlage / Aufgrund der gleichmäßigen Mandatsverteilung im Parlament wird eine schwierige Regierungsbildung erwartet / Koalitionsfrage noch ungeklärt
Bilbao (afp) - Aus den vorgezogenen Regionalwahlen im spanischen Baskenland ist am Sonntag der baskische Ableger der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) als knapper Sieger hervorgegangen. Da keine Partei die absolute Mehrheit errang, wird mit einer schwierigen Regierungsbildung gerechnet. Den zentralistisch ausgerichte ten baskischen Sozialisten (PSE) kam die Spaltung des nationalistischen Lagers zugute, das insgesamt seine Mehrheit von 49 auf 52 Sitze ausbauen konnte. Obwohl die PSE ein Mandat verlor, stellt sie jetzt mit 18 von insgesamt 75 Sitzen die stärkste Fraktion im Regionalparlament. Die Nationale Volkspartei (PNV) des bisherigen baskischen Regierungschefs Jose Antonio Ardanza blieb stimmenmäßig die stärkste Partei, sie erhielt jedoch nur 17 Sitze. Bei den letzten Wahlen 1984 hatte die PNV 32 Mandate errungen. Ardanza stellte in Aussicht, daß die PNV in die Opposition gehen werde. Zu den vorgezogenen Wahlen vom Sonntag war es nach einer Spaltung der Partei gekommen. Die neugegründete Eusko Alkartasuna (EA - Baskische Solidarität) kam auf 14 Sitze. Die starke Polarisierung im Baskenland wurde durch das gute Abschneiden des politischen Flügels der Separatistenorganisation ETA, Herri Batasuna (HB), unterstrichen. Auf die HB entfielen 17,47 Prozent der Stimmen. Damit konnte sie 13 Mandate gewinnen, zwei mehr als bisher. Die linksgerichtete Euskadiko Eskerra konnte die Zahl ihrer Mandate von sechs auf neun erhöhen. Eine empfindliche Niederlage mußte die Volkskoalition unter dem Konservativen Manuel Fraga einstecken, die fünf ihrer sieben Sitze im Regionalparlament verlor. Ebenfalls mit zwei Abgeordneten wird das Demokratische und Soziale Zentrum des ehemaligen spanischen Regierungschefs Adolfo Suarez in der Regionalkammer vertreten sein. Der regionale Sozialistenführer Jose Maria Benegas kündigte an, er werde mit den anderen Parteien Verhandlungen über die Bildung einer Regierungskoalition aufnehmen. Sollten diese Bemühungen scheitern, werden erneute vorgezogene Wahlen nicht ausgeschlossen. Angesichts der ziemlich gleichmäßigen Verteilung der Mandate auf vier große Parteien (Soziali sten und drei nationalistische Parteien) bei einem hauchdünnen Vorsprung von einem Sitz für die Sozialisten wirkt die Regierungsbildung in Vitoria jetzt wie ein Puzzle mit zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten. Zur Bildung einer Regierungsmehrheit müssen mindestens drei Parteien eine Koalition eingehen. Dabei ist eine „Ehe“ zwischen nationalistischen baskischen Regionalparteien und den „spanischen“ Sozialisten unumgänglich, es sei denn, drei oder alle vier baskischen Parteien schlössen sich zu einer Front zusammen. Das ist angesichts ihrer radikalen Gegensätze ziemlich unwahrscheinlich. Die Wahl hat die Zerrissenheit der baskischen Gesellschaft und ihrer politischen Strömungen deutlich gemacht. In dieser Situation sind verstärkte politische Instabilität und Radikalisierung nicht auszuschließen. Die Sozialisten sehen aber auch eine „Chance“ zu einer „Neubesinnung“ in Richtung auf mehr „Vernunft“ und „Dialogbereitschaft“. Der Zwang zu Kompromissen könne heilsam sein. Es gehe jetzt weniger um baskische Unabhängigkeits–Utopien, sondern um konkrete Arbeit zur Überwindung der schweren Wirtschaftskrise und um Gemeinsamkeit der Demokraten, damit „Euskadi“ nicht unregierbar wird. Das wäre nämlich die große Chance der ETA–Terroristen. Der noch amtierende Regierungschef Jose Antonio Ardanza (PNV) erklärte, auch eine sozialistisch geführte neue Regierung werde eine „nationalistische Politik“ im Baskenland betreiben müssen. Die ETA–nahe Koalition Herri Batasuna, die bislang das Parlament boykottierte, forderte die PNV und ihre Absplitterung „Baskische Solidarität“ auf, eine Front zur Verhinderung der Wahl eines sozialistischen Regional– Regierungschefs zu bilden. Die PNV lehnte einen solchen Pakt sofort ab. Insgesamt bestand einen Tag nach der Wahl Einigkeit darin, daß im Baskenland eine Periode des Dialogs und der Pakte zur Überwindung der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation beginnen müsse.
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