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Die Angst in Oukasie vor der Umsiedlung

■ Zwangsumsiedlung von Schwarzen in Südafrika / Fertige Häuser und ein neuer Friedhof stehen schon bereit / Widerstand der Metallgewerkschaft MAWU / Selbst Kollaborateure protestieren gegen das Projekt Volkszählung als Vorwand für Personalienerstellung

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - 10.000 Einwohnern der Siedlung Oukasie bei Brits, 100 Kilometer nordöstlich von Johannesburg, steht in Kürze die Zwangsumsiedelung bevor. Am Dienstag gingen Regierungsbeamte, begleitet von Polizisten und Soldaten, von Haus zu Haus, um die Personalien der Bewohner festzustellen. Die Beamten gaben an, daß es sich um eine Volkszählung handele, nachdem durch einen Brand alle Unterlagen in den Verwaltungsbüros vernichtet waren. Doch die Bewohner von Oukasie, die schon seit 1985 gegen die Umsiedelung in das 20 Kilometer entfernte Lethlabile kämpfen, be fürchten, daß ihre Unterschriften missbraucht oder als Zustimmung zur Umsiedelung interpretiert werden könnten. Die Spannungen in Oukasie sind gewachsen, nachdem der Minister für Verfassungsentwicklung und -planung, Chris Heunis, vor wenigen Wochen die offizielle Einteilung von Oukasie als Wohngebiet für Schwarze aufgehoben hatte. Die unhygienischen Wohnbedingungen und die hohen Kosten für eine Verbesserung der Siedlung wurden als Grund angegeben. Andererseits stehen in Lethlabile, das an der Grenze zum Homeland Bophuthatswana liegt, nicht nur fertige Häuser sondern auch Reihen von fertig ausgehobe nen Gräbern zur Verfügung. Die Menschen von Oukasie werfen der Regierung außerdem vor, die Siedlung seit Jahrzehnten absichtlich vernachlässigt zu haben. Seit 55 Jahren seien nur 54 Wasserhähne in Oukasie angelegt worden, Toiletten folgen dem sogenannten „Eimersystem“, es gibt keinen Strom, keine Straßenbeleuchtung, keine Teerstrassen. Selbst als Kollaborateure verrufene Vertreter von der Vereinigung schwarzer Gemeinderäte protestierten in einem Treffen mit Heunis am Montag gegen die geplante Zwangsumsiedelung. Doch Heunis blieb ungerührt. Er ignorierte damit auch das Versprechen seines Kollegen Gerrit Viljoen, des Ministers für Zusam menarbeit und Entwicklung, der schon im Februar 1985 das Ende aller Zwangsumsiedlungen angekündigt hatte. Den wichtigsten Grund für diese Unnachgiebigkeit Pretorias nannte auch die Metallgewerkschaft MAWU in einem Protestschreiben am Dienstag: „Es gibt keine Rechtfertigung für diese Umsiedelung“, hieß es in der MAWU–Erklärung. „Es ist deutlich, dass diese Zwangsumsiedelung nur einen Grund hat - man will die Gunst weisser Wähler gewinnen.“ Denn im Wahlkreis Brits hat die regierende Nationale Partei in den letzten Monaten viele Stimmen an ultrarechte Parteien verloren. Die sollen nun zurückgewonnen werden indem die lästige schwarze Siedlung entfernt wird. MAWU ist im Widerstand gegen die Umsiedelung besonders aktiv, da viele der Bewohner von Oukasie in Metallbetrieben in Brits arbeiten. Auch diese Betriebe, darunter der bundesdeutsche Bosch–Konzern, wurden von der Gewerkschaft aufgefordert, in Pretoria zu intervenieren. Gleichzeitig bemüht sich MAWU auch, die für die Aufbesserung von Oukasie benötigten 3,5 Millionen Mark vom Rentenfonds der Metallindustrie zu bekommen.

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