Bürokraten–GAU

■ Zur „Katastrophenschutz–Sonderplan“ für Pinneberg

Auch die Fernsehbilder von Tschernobyl haben daran nichts geändert: Das Ausmaß eines Super–GAUs bleibt unvorstellbar, der wirksame Schutz der betroffenen Bevölkerung eine Fiktion. Doch für deutsche Behörden gilt nach wie vor, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Auch die allergrößte Katastrophe, so gaukeln uns ganze Aktenordner füllende „Katastrophenschutzsonderpläne“ vor, ist in den Griff zu bekommen. Was helfen soll, sind die deutschen Primärtugenden: Disziplin, Gehorsam und Gründlichkeit. Selbst der kleinste Handgriff wird in Verordnungen vorgeschrieben, bis zur Sicherheitsnadel reicht die Reglementierung, und kein Feldweg wird für Absperrungen bei der Evakuierung vergessen. Die gesammelten Dokumente sind ein Meisterwerk an organisierter Verdrängung. Diese Retter plagt kein Zweifel, ihnen graust nur vor Unregelmäßigkeiten, vor Störungen bei der Organisierung der Katastrophe - nur kein Chaos. Und weil niemand garantieren kann, daß die flüchtende Bevölkerung aus der verordneten Rolle als folgsame Schafherde ausbricht, werden die Hirtenhunde an den Kreuzungen postiert: Bundeswehr und Polizei. Die Evakuierungspläne und Maßnahmen–Kataloge suggerieren, daß die Schäden einer Kernschmelze einzudämmen seien wie die einer Sturmflut - da schimmert die Unvermeidlichkeit einer Naturkatastrophe durch. Diesen Eindruck gilt es zu demontieren, und zwar vor dem Super–GAU. Es war immer die Entlarvung des Unvermeidlichen als etwas Systematischem, die zu den kleinen und großen Revolten geführt hat. Mal ohne und mal mit Erfolg. Axel Kintzinger