Es herrscht Winter in den „Wohn–Containern“

■ Am Rande Münchens stellte die Stadt 24 Bau–Container an einem romantisch klingenden Ort für 130 Roma und Sinti aus Rumänien auf / Die rüde Aktion gegen die Asylbewerber wurde mit überfüllten „Sammellagern“ in Oberbayern begründet

Aus München Harald Braun

Es geht raus aus München. Auto– Tandler auf beiden Straßenseiten, ein klotziger Konsummarkt mit riesigem Parkplatz, alle paar Meter eine Tankstelle. Kurz vor dem Ortsausgangsschild geht ein kleiner Weg von der Dachauerstraße links ab, kaum zu sehen. Zufällig befährt kein Mensch dieses Sträßchen, das vor einer meist heruntergelassenen Barriere jäh endet. Gut möglich, daß die Repräsentanten der „Weltstadt mit Herz“ auch gar kein gesteigertes Interesse an allzu vielen Zaungästen hat. Auf dem „Kapuzinerhölzl“ nämlich, das sich hinter der zitierten Barriere auf ca.750 Quadratmetern ausbreitet, haben Obdachlosenbehörde und Sozialamt der Stadt eines der beiden Lager eingerichtet, in denen Asylbewerber aus Rumänien bis zum endgültigen Bescheid ihres Antrags „zwischengelagert“ werden. 130 Sinti und Roma sind es bis jetzt, die in München Station gemacht haben. Ob sich für sie allerdings nur ein Bruchteil der Erwar tungen erfüllt hat, die mit dem „Goldenene Westen“ verknüpft waren, ist angesichts der aktuellen Lebensumstände zweifelhaft. Eines jedoch ist sicher: In Rumänien hausten sie nicht in Blechhütten. In München müssen sie das zwangsweise. Die „Sammellager“ des Bezirks nämlich sind längst mit knapp 8.000 Flüchtlingen überbelegt, die Einweisung in Pensionen ist generell nicht mehr möglich. Da verfielen Obdachlosenbehörde und Sozialamt der Stadt München auf eine Idee, die an Zynismus kaum mehr zu übertreffen ist. Sie mieteten eine Reihe von Bau–Containern an, 24 an der Zahl, und stellten diese offiziell als „Wohn–Container“ bezeichneten Hütten im „Kapuzinerhölzl“ und in der Ludwigsfelderstraße auf. Dort bietet sich nun ein trauriges Bild: Bis zu sieben Personen hocken in den knapp 10 Quadratmetern großen Blechbehausungen, die nur schlecht isoliert und mehr als kärglich eingerichtet sind. Natürlich sind die sanitären Anlagen für die Menge der Men schen völlig unzureichend, ebenso die personelle Betreuung durch die Stadt. Zwei Sozialarbeiter versuchen, wenigstens die dringendsten Probleme in den Griff zu kriegen. Das gelingt kaum, selbst wenn Wolldecken und Essen in der Freizeit herangeschafft werden. Eine einzige Kochstelle gibt es in den Lagern. Man muß sich nur weit genug wegstellen von diesem offenene Holzverschlag, der dort mitten im Gelände postiert ist. Dann hält man ihn leicht für eine klassische Latrine. Erst bei näherer Betrachtung fallen zwei gasbetriebene Kochplatten im Innern des Verschlags auf, die für die Bedürfnisse der gesamten Asylbewerber ausreichen müssen. Aufenthaltsräume gibt es weder auf der Ludwigsfelderstraße noch im Kapuzinerhölzl. Das Leben der rumänischen Asylbewerber spielt sich somit ausschließlich in der Blechhütte ab, die ihnen von der Stadt München als „Wohn–Container“ verkauft wird. Um wenigstens für einige Stunden aus diesem trostlosen Umfeld herauszukommen, gehen die Sinti und Roma einmal in der Woche in die Müchener Innenstadt und versuchen dort, ihre bescheidenen finanziellen Mittel - die Angaben ihrer monatlichen Unterstützung schwanken zwischen 54 DM und 68 DM - durch Bettelei aufzubessern. Diese unerträgliche Situation wird sich beim zu erwartenden Schneefall und Kälteeinbruch dramatisch zuspitzen. „Es ist doch absurd, die Menschen dort überwintern zu lassen. Gängige Praxis bei Asylbewerbern aus dem Ostblock ist es ohnehin, die Anträge nicht abzulehnen. Warum strebt man dann nicht gleich eine langfristige, klare Lösung an, statt die Menschen in diesen Containern zusammenzupferchen?“ fragt die Grüne Stadträtin Sabine Csampai–Boettge, die bereits eine feste Unterkunft ausfindig gemacht haben will. Bevor jedoch hierüber entschieden wird, muß erst die Kompetenzfrage geklärt werden, wer denn nun für die Sammellager im „Kapuzinerhölzl“ und auf der Ludwigsfelderstraße verantwortlich ist. Die Landeshauptstadt München oder die Regierung Oberbayern? Die Grünen haben dazu klar Stellung bezogen: „In der Ludwigsfelderstraße und am Kapuzinerhölzl ist die Stadt München zuständig und verantwortlich. Erst wenn die Regierung von Oberbayern eine Sammelunterunterkunft auch als solche übernimmt, liegt sie auch in deren Verantwortung. Gleichzeitig müßten mindestens 50 Personen in einer Unterkunft leben, um überhaupt als Sammelunterkunft anerkannt und von der Regierung Oberbayern übernommen zu werden.“ Die Forderung nach einem festen Gebäude hätte für die Stadt auch durchaus finanzielle Vorteile: „Die Stadt mietet ein Haus an und gibt dann diese geschaffene Sammelunterkunft an die Regierung weiter, die sich in dem Fall weder vor der Verantowrtung noch vor der Finanzierung drücken kann“, erläutert Sabine Csampai–Boettge die Vorteile für die Landeshauptstadt. Ein diesbezüglicher Dringlichkeitsantrag wurde in der vergangenen Woche von der Vollversammlung des Müchener Stadtrats vertagt.