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Contra–Funktionär unbehelligt

■ Strafanzeigen gegen Contra–Funktionär wegen Geiselnahme an acht bundesdeutschen Aufbauhelfern in Nicaragua / Beschuldigter konnte BRD nach Fernsehauftritt unbehelligt verlassen

Aus Berlin Vera Gaserow

Während Staatsanwaltschaft und Bundesanwaltschaft noch prüften, ob ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird, hat der Contra–Funktionär Idalecio Rodriguez am Montag unbehelligt die Bundesrepublik verlassen können. Gegen Rodriguez lagen mehrere Strafanzeigen wegen Mittäterschaft an der Geiselnahme acht junger Deutscher in Nicaragua vor. Geiselnahme gilt in der Bundesrepublik als Offizialdelikt und wird mit einer Haftstrafe nicht unter drei Jahren geahndet. Rodriguez, Mitglied des Direktoriums der antisandinistischen FDN, war am Wochenende auf Einladung des WDR aus Miami in die Bundesrepublik gekommen. Als Mitarbeiter des Infobüros Nicaragua ihn am Sonntag abend in einer Fernsehdiskussion des WDR auftreten sahen, stellten sie in derselben Nacht noch per Fernschreiber Strafanzeige gegen ihn wegen Mittäterschaft bei einer Geiselnahme. Auch zwei der acht im Frühjahr dieses Jahres von der Contra entführten Aufbauhelfer sowie die Grünen erstatteten sofort Strafanzeige. Für die Anzeigeerstatter steht fest, daß Rodriguez einer der Sprecher der Entführer war und in ihrem Namen auch Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt über die Freilassung der acht Aufbauhelfer geführt hat. Ein Forderungskatalog, in dem die Contras die Bedingungen für die Freilassung der Deutschen vorlegten, trug Rodriguez Unterschrift, und in Presseberichten identifizierte er sich eindeutig mit den Entführern. Auch einer der wichtigsten Verhandler von bundesdeutscher Seite, der SPD–Abgeordnete Wischnewski, hatte ihn im Zusammenhang mit der Entführung als wichtigsten Gesprächspartner der Contra bezeichnet. Wischnewski wollte sich den Strafanzeigen gegen Rodriguez zwar nicht anschließen, erklärte sich aber bereit, die Rolle Rodriguez bei den Freilassungsverhandlungen zu bezeugen, um so eine Strafanzeige der Betroffenen zu unterstützen. Unter Berufung auf Aussagen von Wischnewski und des Auswärtigen Amtes hat gestern die Bundesanwaltschaft die Annahme der Strafanzeige abgelehnt. Rodriguez habe nach diesen Zeugenaussagen zwar die Verhandlungen über die Freilassungsmodalitäten mit dem Auswärtigen Amt geführt, darin sei jedoch keine Nötigung der Bundesrepublik oder ihrer Verfassungsorgane zu sehen. Was den Vorwurf der Mittäterschaft bei der Geiselnahme anbetrifft, sei der Generalbundesanwalt dafür nicht zuständig, sondern die Staatsanwaltschaft in Köln, erklärte der Sprecher der Bundesanwaltschaft.

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