: Cäsium–Käse gut genug für Dritte Welt
■ Für EG–Länder zu hoch belastete Lebensmittel in Asien und Südamerika aufgetaucht / Möglichkeiten für Kontrollen in diesen Ländern völlig unzureichend / Holländische Milch wird „100 Prozent australisch“
Von Reinhard Wolff
Kassel (taz) - Einen Monat nach der Tschernobyl–Katastrophe setzte die EG Grenzwerte für die maximale radioaktive Belastung fest. Zwei Monate später kamen 39 Container mit holländischen Milchpulver auf den Philippinen an, versehen mit „Unbedenklichkeitszeugnis“ der niederländischen Exporteure. Sie wurden nach einer Kontrolle durch die philippinischen Behörden beschlagnahmt: mit Cäsiumwerten, die weit oberhalb der EG–Bestimmungen lagen. Zur gleichen Zeit schlug die brasilianische Atomenergiekommission Alarm: Monatlich werden über 10.000 Tonnen hochverstrahltes Milchpulver aus EG–Beständen eingeführt, vorwiegend für Säuglinge und Kinder. Die radioaktive Belastung kann nach Befürchtungen brasilianischer Kinderärzte gerade für diese mangelhaft ernährten Kinder ein noch gar nicht überschaubares gesundheitliches Risiko bedeuten. Die Möglichkeiten zur Messung der Strahlenbelastung sind gerade in vielen asiatischen Ländern unzureichend. In der Regel beschränken sich die Kontrollen auf Stichproben. Nach übereinstimmenden Berichten verschiedener skandinavischer Zeitungen scheinen skrupellose Händler diese mangelhaften Kontrollmöglichkeiten auszunutzen. In Singapur, wo noch die genauesten Untersuchungen stattfinden, wurden innerhalb von drei Monaten 240 Schiffsladungen mit Lebensmitteln aus Europa abgewiesen. Hierunter befanden sich 22 mit frischem Gemüse, der Rest war Milchpulver aus Belgien, Irland, Dänemark und den Niederlanden, Käse aus Frankreich, Fisch und Fleisch aus Italien und Großbritannien. Nach Feststellungen der Asienabteilung der Internationalen Verbraucherorganisation IOCU scheint ein Großteil der in einem Land abgewiesenen Waren über kurz oder lang im nächsten Hafen zu landen. Auch in Malaysia wurden in den letzten Monaten große Mengen von Lebensmitteln aus den EG– Ländern abgewiesen. Mittlerweile finden strenge Kontrollen statt, aufgrund derer zuletzt holländischer Butter, britischer Sauermilch und italienischem Gemüse die Einfuhrerlaubnis verweigert wurde.
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