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Frauenfeindliches nach Ratsherrenart

■ Lüdenscheider Parlamentarier pöbelten im Rathaus: „Frauen sind nur zum Bumsen da“ / Mit Demonstrationen Distanzierung gefordert / Bürgermeister verteidigt „Lebendigkeit und auch mal Übertreibungen“ / SPD und CDU wollen nichts mehr gehört haben

Von Petra Bornhöft

Lüdenscheid (taz) - In dem Städtchen Lüdenscheid am Rande des Sauerlands kennt mann keine Frauenfeindlichkeit, hält die Diskussion darüber für „unverschämt“ (SPD) oder „Teil einer bundesweiten Hetzkampagne“ (CDU), so das Fazit einer Ratssitzung am Montagnachmittag. Einstimmig setzten CDU, SPD und die konservative „Unabhängige Wählergemeinschaft“ (UWG) einen Antrag der Grünen von der Tagesordnung ab, der die Parlamentarier aufforderte, sich von ihren frauendiskriminierenden Äußerungen zu distanzieren. Damit wollen die drei Parteien eine Debatte beenden, die seit Mitte November viele Gemüter am Rande des Sauerlands erhitzt. Anlaß für chauvinistische Sprüche im Rat war ein „Frauenbericht“, vorgetragen von der 39jährigen Sylvia Dost (Grüne). Aus einer Analyse des lokalen Stellenmarktes formulierte sie überspitzt als Ergebnis, die Frau sei „am meisten zum Putzen und im Bett zu gebrauchen“. Darauf hagelte es aus drei Fraktionen Zwischenrufe wie „Frauen sind zum Bumsen da“, „Hey Mädchen, was denkst Du denn, wofür Du hier bist?“. Keine der zwölf anderen Mandatsträgerinnen stand auf und distanzierte sich. Teilweise schwieg frau „aus Entsetzen“, wie Ingrid Dobler (SPD) später öffentlich erklärte. Da auch diverse SPD–Herren mitgerufen und amüsiert gelacht hätten, fragte sich Ingrid Dobler, ob sie in dieser Partei richtig sei. Gemeinsam mit zwei weiteren Fraktionskolleginnen und rund hundert Personen demonstrierte sie hinter einem Transparent „Chauvis raus aus diesem Rat!“. Neben empörten Frauen schrieben auch 84 Männer einen offenen Brief. Darin verlangten sie eine öffentliche Distanzierung der „Stadtväter“ von ihren unflätigen Bemerkungen sowie eine Rüge des christdemokratischen Bürgermeisters Jürgen Dietrich, der als Versammlungs leiter den Tumult mit Gelassenheit verfolgt hatte. Er sei „kein Vormund“ und halte viel von freier Rede, verteidigte sich der CDU– Mann, „eine gewisse Lebendigkeit und auch mal Übertreibungen gehören dazu“. Im übrigen habe er nichts gehört, selbst die Tonbandaufzeichnung enthalte keine Zwischenrufe (die werden aus technischen Gründen ohnehin nicht aufgenommen). Dieser Version, nach Ansicht der Grünen Zeichen für „erstaunliche Gedächtnislücken und phänomenale Hörschwächen“, schloß sich nach internen Querelen auch die SPD an. wir empfehlen: schwänze scheibchenweise!! d. säzzerinnen. So erklärte die Fraktion am Montag plötzlich einmütig ihre Genossen zu Unschuldslämmern. Man kämpfe stets „energisch und konstruktiv für die Belange der Frauen“. Als Beweis gelte auch die beantragte „Gleichstellungsstelle“. Diese lehnte die regierende „CDUWG“–Koalition ebenfalls am Montag ab, mit der Begründung einer CDU–Dame, die 13 Ratsfrauen könnten selber für die Gleichberechtigung im Rat sorgen. 70 kommunale Frauenbüros gibt es bereits in Nordrhein–Westfalen. Um die Emanzipation im Lüdenscheider Kommunalparlament ist es wahrlich schlecht bestellt.

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