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Hasenfus auf freiem Fuß

■ Nicaragua begnadigte den bei Waffentransport für die Contra abgeschossenen US–Söldner

Aus Managua Ralf Leonhard

Eugene Hasenfus, Nicaraguas prominentester Häftling, ist am Mittwoch freigelassen worden. In Begleitung seiner Frau Sally und des US–Senators Christopher Dodd reiste er noch am selben Tag in seinen Heimatstaat Wisconsin. Präsident Daniel Ortega sagte in Managua, die Begnadigung des im Oktober bei einem Waffentransport für die antisandinistische Contra abgeschossenen US–Söldners sei auch eine Anerkennung für jene religiösen, politischen und gesellschaftlichen Gruppen in den USA, die sich für Frieden in Mittelamerika einsetzten. Mit der Freilassung des Luftfrachtspezialisten, der vor einem Monat wegen seiner Versorgungsflüge für die Contra zur Höchststrafe von 30 Jahren verurteilt worden war, setzten die Sandinisten ein Zeichen der Kompromißbereitschaft. Die außenpolitische Nützlichkeit der raschen Begnadigung ist offenkundig. Schwieriger ist es, die Maßnahme im eigenen Land, vor allem gegenüber den Angehörigen von Opfern der Contras, zu vertreten. Fortsetzung Seite 6 „Unsere Revolution basiert nicht auf Haß, sondern auf Solidarität und Brüderlichkeit“, erklärte Ortega seinen Landsleuten. Kontrovers war denn auch die Debatte in der Nationalversammlung, die den Gnadenantrag des Präsidenten gutheißen mußte. Die unabhängigen Liberalen verlie ßen den Sitzungssaal gleich zu Beginn, die kommunistischen Abgeordneten im Laufe der Diskussion, die marxistisch–leninistische Partei stimmte dagegen. Die Konservative und die prosowjetische sozialistische Partei setzten sich für eine umfassende Amnestie politischer Häftlinge ein, unterstützten aber den Entwurf der Sandinisten. „Ich versichere euch, daß 95 von 100 Personen, die wegen des Verdachts konterrevolutionärer Akte im Gefängnis sitzen, schuldlos sind“, wetterte Domingo Sanchez von der „Sozialistischen Partei Nicaraguas“ in seinem emotionalen Beitrag. Bei dieser Gelegenheit kam die Rede auch auf den am vergangenen Freitag gefaßten mutmaßlichen Spion Sam Hall, der demnächst der Justiz überantwortet werden soll. Der 49jährige US– Bürger war nahe der Luftwaffenbasis Punta Huete gefaßt worden. Er trug Skizzen militärischer Ziele wie Brücken und Flugpisten im Socken verborgen. Laut Daniel Ortega hat der Agent gestanden , Informationen zu sammeln, die die Ermittlungen der Luftspionage ergänzen. Er soll zudem zugegeben haben, die Contras mit Sprengsätzen versorgt zu haben, und sei nach Nicaragua gekommen, um gegen die sandinistischen Streitkräfte zu kämpfen. Sam Hall ist kein Unbekannter: Der wegen unerlaubten Waffenbesitzes in den USA verurteilte Exilkubaner Jesus Garcia hat ihn als Mitglied einer paramilitärischen Gruppe identifiziert, die im Auftrag der kolumbianischen Drogenmafia die Ermordung des ehemaligen US–Botschafters in Bogota, Lewis Tambs, plante. An der Verschwörung sollen außerdem Contra–Chef Adolfo Calero und der CIA–Mann Stephen Carr beteiligt gewesen sein. Carr selbst wird nicht mehr viel dazu beitragen können. Er starb am letzten Wochenende auf mysteriöse Weise, nachdem seine Verwicklung in die Irangate–Affäre bekannt geworden war.

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