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Gegen Amnestie für Folterer

■ In Argentinien demonstrierten 60.000 Menschen gegen das „Schlußstrich–Gesetz“ Alfonsins / Die Mütter der Plaza de Mayo wurden von der Regierung als extremistisch diffamiert

Aus Buenos Aires Dirk Bruns

In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires demonstrierten am Freitag abend über 60.000 Menschen gegen das von der Regierung Alfonsin eine Woche zuvor angekündigte „Schlußstrich–Gesetz“, das der gerichtlichen Verfolgung der meisten Menschenrechtsverletzungen unter der Militärdiktatur ein baldiges Ende set zen soll. Hinter der Parole „Nein zum Schlußstrich“ marschierten die Mütter der Plaza de Mayo, gefolgt von prominenten Politikern, Menschenrechtlern und Gewerkschaftern. Auch ein Flügel der peronistischen Opposition, Linksparteien, ja selbst die Jugendorganisation der Regierungspartei UCR beteiligte sich am Umzug. Auf Spruchbändern, in Gesängen und Parolen wurde - von Pauken lautstark untermalt - die Bestrafung aller Schuldigen gefordert. Ziel der Demonstration war das Kongreßgebäude. Dort soll heute in einer Sondersitzung des Senats über den Gesetzentwurf beraten und abgestimmt werden. Da der orthodoxe Flügel der Peronisten gegen die Stimmen der peronistischen „Erneuerer“ mit der Regierungspartei stimmen wird, dürfte der Vorlage im Senat wohl eine Mehrheit beschieden sein. Im Abgeordnetenhaus, der andern Kammer des Kongresses, soll das „Schlußstrich–Gesetz“ Anfang Januar über die Bühne gehen. Im einzelnen sieht das künftige Gesetz vor, daß die Verbrechen gegen Kinder weiter verfolgt werden, andererseits aber zivile und militärische Personen, gegen die innerhalb von 60 Tagen kein Prozeß eröffnet wird, nicht mehr wegen Menschenrechtsverletzungen unter der Militärdiktatur belangt werden können. In der letzten Woche hatte Präsident Alfonsin die Kritiker des „Schlußstrichs“ - allen voran die Mütter der Plaza de Mayo - als Extremisten diffamiert. Offene Unterstützung erhielt er dabei von der Spitze der katholischen Kirche, die zur Versöhnung aufruft, und von Armeechef Erenu, für den die Zeit der Rache vorbei ist. Die 60.000 Demonstranten in Buenos Aires sehen das anders. Im Schlußkommunique der Demonstration heißt es: „Die Extremisten sind diejenigen, die vergewaltigt, gefoltert und gemordet haben.“

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