: taz–Dokumentation war keine „Anleitung“
■ Die taz–Dokumentation der Hamburger Bekennerbriefe hat für Wirbel gesorgt / Das folgende Schreiben übermittelten wir gestern an die Frankfurter Allgemeine Zeitung als Antwort auf ihre Meldung vom Samstag / Für unsere Leserinnen und Leser veröffentlichen wir es an dieser Stelle
An die Herausgeber und die Chefredaktion der FAZ Auf der Titelseite der FAZ–Ausgabe vom Samstag, den 3.Januar, wird schweres Geschütz gegen die Entscheidung der taz aufgefahren, am 2.1. zwei Bekennerbriefe zu den Hamburger Kaufhaus–Brandanschlägen vom Dezember 86 auszugsweise zu dokumentieren. Müssen wir den Kommentar und die Gesetzesinterpretation von „Me“ als Meinung eines FAZ–Redakteurs zur Kenntnis nehmen, verwahren wir uns aber entschieden gegen die Unterstellung in der FAZ–Kurzmeldung über einen Anschlag auf ein Transformatorenhaus in Berlin. Darin heißt es, die taz habe „gekleidet in eine Dokumentation, (...) eine Anleitung zur Herstellung von Brandsätzen gegeben“. Wir verwahren uns nicht nur gegen die Suggestion, die Filmspulen–Brandsätze, um die es in der Dokumentation geht, hätten irgendetwas mit dem Sprengstoff–Anschlag in Berlin zu tun - eine Suggestion, die aufgrund der bruchlosen - übrigens alle journalistischen Sorgfaltspflichten verletzenden - Verbindung zweier Meldungen entstehen muß. Wir verwahren uns zudem ausdrücklich gegen die Formulierung der die taz betreffenden Meldung. Darin gerinnt die Meinung des Kommentators zur Tatsache. Wir fordern Sie hiermit zu einer Richtigstellung auf: Die auszugsweise Dokumentation der Hamburger Bekennerbriefe ist genauso wenig eine „Anleitung“ zur Herstellung von Brandsätzen (und war auch nicht als solche bezweckt), wie ein Tatort– Krimi oder Hunderte von ähnlichen Filmen eine „Anleitung“ für Bankraub, Mord oder Erpressung darstellen. Erstens: Eine bloße Beschreibung, Dokumentation oder künstlerische Verarbeitung von strafbaren Handlungen - egal wie ausführlich bzw. vollständig - ist keine „Anleitung“ zu deren Begehung. Sonst müßte die Hälfte aller Fernseh–Beiträge verboten werden, einschließlich der Warnungen der Polizei vor Diebstählen, in denen gezeigt wird, wie einfallsreich solche durchgeführt werden. Sicher können auch manche FAZ–Artikel, z.B. über Wirtschaftskriminalität, noch Anregungen geben. Aber zum Aufruf gehört mehr als die Information, auch nach der Neufassung des §130a Strafgesetzbuch. Eine andere Interpretation widerspricht nicht nur dem Text des Gesetzes, sie liefe auch darauf hinaus, daß über politisch motivierte Handlungen (im Gegensatz etwa zu normalen Banküberfällen) nur noch nebulös oder am besten gar nicht mehr berichtet werden könnte - Südafrika läßt grüßen. In der taz– Dokumentation fehlen z.B. bewußt die - zu ähnlichen Handlungen aufrufenden - Parolen der Bekennerbriefe. Uns kam es darauf an, Informationen über diese von allen Medien viel beachteten Aktionen zu dokumentieren. Die Bekennerbriefe, insbesondere auch das Eingeständnis von Fehlern, lie fern neue und bemerkenswerte Erkenntnisse über den Ablauf der Aktionen und das Selbstverständnis ihrer Akteure. Wir verstehen eine solche Berichterstattung auch weiterhin als eine Aufgabe eines Journalismus, der - im Rahmen des Grundrechts der Pressefreiheit - über das Zeitgeschehen informiert, ohne seine Leser zu bevormunden oder für unmündig zu erklären. Auch in Wahlkampf–Zeiten sehen wir keinen Anlaß, von diesem Grundsatz abzuweichen. Zweitens: Die taz hat mit der Dokumentation auch nicht die Absicht einer „Anleitung“ verfolgt. Wir verwahren uns gegen die polemische Unterstellung, die taz wegen ihrer kritischen Berichterstattung in eine kriminelle Ecke zu rücken. Die taz ist auch - von wegen „Umfeld“ - keine Zeitung derer, die solche Aktionen durchführen. Das wurde uns oft genug deutlich zu verstehen gegeben. Allerdings stimmen wir nicht einfach mit einer regierungsamtlichen Beurteilung solcher Aktionen überein und vor allem scheuen wir nicht die Auseinandersetzung auch mit deren Akteuren. Und dazu gehört auch, manche Positionen als reale ernst zu nehmen und über sie zu berichten, selbst wenn wir sie nicht teilen. Dafür gibt es viele Beispiele. Wir dokumentieren RAF–Bekennerbriefe und veröffentlichen die Kritik der Brüder des erschossenen Gerold von Braunmühl, in der taz kommen SPD–und Grünen–Abgeordnete genauso (und häufiger) zu Wort wie AKW–Gegner, die Strommasten ansägen. Und dies nicht aus einem naiven Drang nach „Ausgewogenheit“, sondern weil die taz eine Zeitung ist, die ihr Augenmmerk stärker als andere auf dieses Spektrum der sozialen und politischen Realität in der Bundesrepublik richtet und sich als Beitrag zu einer politischen Kultur versteht, die sich mit diesen Positionen auseinanderzusetzen bereit ist, statt die Augen zu verschließen und Ausgrenzungen vorzunehmen. Daß die eigenen Kommentare (und manche Berichte und Interviews) der taz– Redaktion von „Autonomen“ mindestens so heftig kritisiert werden wie die Dokumentation der Hamburger Bekennerbriefe von der FAZ bedeutet auch nicht, daß wir zwischen allen Stühlen sitzen. Das Gegenteil beweist die zunehmende Leserschaft der taz, für die dieses Spektrum der Berichterstattung und Auseinandersetzung zur eigenen Meinungsbildung wichtig ist, weil sie sich weder mit regierungsamtlichen Anti–Terrorismus–Strategien noch mit radikal klingenden Parolen zufrieden gibt. Drittens: Auf der faktischen Ebene bestreiten wir, daß die Beschreibung im Bekennerbrief ausreicht, selbst die in Hamburg verwendeten Brandsätze herzustellen. Übrigens dürfte die Ausgrenzungs– Strategie, Basis des FAZ–Kommentars von „Me“, an ihrer eigenen Zielsetzung vorbeigehen: Die Neufassung der sogenannten Anti–Terrorismus–Paragraphen wird mehr militante Kämpfer/innen produzieren als alle taz–Dokumentationen von Bekennerbriefen zusammengenommen. Thomas Hartmann, Presserechtlich Verantwortlicher der taz
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