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Sowjetische Raumfahrt–Techniken im Angebot

■ UdSSR bietet ihre Trägersysteme für „verschiedenste Raumtechniken“ an / Bundesregierung fühlt sich an ESA gebunden und pocht zunächst auf Ratifizierung des deutsch–sowjetischen Rahmenabkommens / Konkurrent China macht schon gute Auslandsgeschäfte

Aus Berlin Imma Harms

In ungewöhnlich konkreter Form hat die Sowjetunion jetzt ihr seit langem betontes prinzipielles Kooperationsangebot in der Weltraumtechnik wiederholt. In einem von TASS am Montag in Bonn veröffentlichten Innterview mit dem sowjetischen Ministerratsvorsitzenden Nokolai Ryshkow wird allen ausländischen Interessenten die sowjetische Transportkapazität für die „Beförderung verschiedenster Raumtechniken“ in eine Erdumlaufbahn angeboten. Ryshkow nennt die bewährten Trägersysteme „Proton“, „Sojus“ und „Vertikal“. Von besonderem Interesse könnte dabei das Angebot sein, die sowjetische Raumstation MIR als Anlegestelle für „wissenschaftliche Speziallabors oder Produktionsstätten im Orbit“ zu nutzen. Sie kann fünf Weltraummodule jeweils mit einer Masse bis zu 21 Tonnen aufnehmen. Um das Hindernis des westlichen Handelsembargos gegenüber der Sowjetunion in Bezug auf Weltraumtechnik aus dem Weg zu räumen, machte Ryshkow den Vorschlag, eventuelle Fracht aus dem westlichen Ausland in verplombten Behältern unkontrolliert von der Grenze bis zum Weltraumbahnhof zu befördern. Ryshkow weist den Verdacht, die vorgeschlagene Kooperation solle zur ungehinderten Ausspionierung westlicher Technologie dienen, von sich: „Die ganze Welt hat sich schon mehrnmals davon überzeugen können, daß sowjetische Wissenschaftler und Konstrukteure modernste Technik schaffen können und schaffen, die jedenfalls den besten ausländi schen Erzeugnissen in nichts nachstehen.“ Tatsächlich kann sich die sowjetische Weltraumtechnik auf dem Hintergrund des US–amerikanischen Raumfährendebakels und den andauernden Verzögerungen im europäischen Ariane– Programm sehen lassen. Im Gegensatz zum amerikanischen Programm konzentrierte sich die UdSSR in den vergangenen Jahren weniger auf das Transportsystem als auf den Ausbau ihrer Weltraumstation. Einem Bericht der US–Militärzeitschrift Janes vom Juni vergangenen Jahres zufolge ist die Weltraumtechnik der UdSSR derjenigen der Amerikaner um ein Jahrzehnt voraus. Sowjetische Kosmonauten halten mit großem Abstand den Rekord in Daueraufenthalten im All. Zusammen haben sie mehr als 4.000 Tage im All verbracht, die US– Astronauten bringen es nur auf 1.587 Tage. Während ihrer monatelangen Missionen in den Raumstationen „Saljut 7 „ und später „MIR“ haben sich die Kosmonauten bereits als Fabrikanten der begehrten (und im Weltraum besonders rein zu erzeugenden) Siliziumkristalle betätigt, die das Basismaterial für Computer–Chips sind. Die Silizium–Produktion ist auch ein wesentlicher Programmpunkt der ersten bundesdeutschen Weltraummission D1 gewesen und Bestandteil der Pläne für die europäische Raumplattform „Eureca“. Da diese aber an die amerikanischen Raumstationspläne gekoppelt sind, steht ihre Realisierung bis auf weiteres „in den Sternen“. Zu einem Alleingang mit den Sowjets möchte sich das Bundesforschungsministerium dennoch nicht entschließen. „Die Kooperationsverhandlungen der UdSSR laufen mit der ESA (der europäischen Raumfahrtbe hörde)“, betont der Sprecher des BMFT für internationale Zusammenarbeit, Lohsch. Im übrigen müßten erst mal die Rahmenabkommen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik, die im vergangenen Juli unterzeichnet wurden und die auch die Zusammenarbeit in der Weltraumtechnik regeln, in Kraft treten. Die Ratifizierung scheiterte bisher an „Terminfindungsschwierigkeiten“. Weitere Interessenten an sowjetischer Trägerkapazität könnten Satelliten–Gesellschaften sein. Die NASA darf nach dem Verlust der „Challenger“–Raumfähre bis auf weiteres keine kommerziellen Aufträge zum Satellitentransport mehr annehmen, die Arianespace, die zeitgleich mit dem „Challenger–Unglück ihre Preise um 30 kommenden Jahre mit Aufträgen hoffnungslos überlastet und kann zudem aufgrund verschiedener technischer Schwierigkeiten die Starttermine nicht einhalten. Der für Anfang des Jahres vorgesehene Start des bundesdeutschen Kommunikationssatelliten TV– Sat mußte mehrfach verschoben werden. Das zuständige Postministerium hofft jetzt auf einen Starttermin im Mai. Zu Verhandlungen mit der Sowjetunion sieht die Bundespost nach Aussage ihres Sprechers Bruchmüller trotzdem keinen Anlaß. „Wir sind an die Verträge mit Arianespace gebunden.“ Das gilt auch für den Fernmeldesatelliten „Copernicus“, der 1988 gestartet werden soll. Ausländische Satellitenbetreiber dürften weniger wählerisch sein. China konnte bereits mehrere Aufträge u.a. aus den USA, Schweden und dem Iran zum Transport von Satelliten mit ihrer Trägerrakete „Langer Marsch“ verbuchen.

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