: Neue Wechselkurse perfekt
■ Aufwertung der D–Mark / Keine Abwertung des Franc / Zufriedenheit bei Stoltenberg und Balladur im Kampf gegen Währungsspekulation
Brüssel (afp/ap) - Nach zehnstündigen schwierigen Verhandlungen ist in der Nacht zum Montag in Brüssel eine Einigung über neue Paritäten im Europäischen Währungssystem (EWS) zustandegekommen. Die D–Mark und der niederländische Gulden wurden um je drei Prozent und der belgisch– luxemburgische Franc um zwei Prozent aufgewertet. Die anderen Währungen bleiben unverändert. Die Finanzminister der zwölf EG–Länder waren am Sonntag um 15.00 Uhr MEZ in der Hauptstadt Belgiens zusammengetroffen, um Maßnahmen zum Kampf gegen die Devisenspekulationen der letzten Tage zu beschließen. Durch die Dollar–Schwäche und die sozialen Probleme in Frankreich noch genährt, hatte der Devisenhandel durch Spekulationsdruck in Richtung Hausse bei der D–Mark und Baisse der schwachen EWS–Währungen zum Handeln gezwungen. Die Aufwertung von Mark und Gulden um 3 Prozent stand bereits am Sonnabend bei einem Treffen des EG–Währungsausschusses fest, nachdem der französische Franc nicht abgewertet werden sollte. Die Länge der Verhandlungsrunde verursachten die weiteren Anpassungswünsche der restlichen EWS–Mitglieder. Die Experten konnten sich aber nicht auf die neue Parität des belgisch–luxemburgischen Francs einigen. Brüssel und Luxemburg hatten verlangt, weniger stark als die anderen Währungen von Mark und Gulden abgehängt zu werden. Die beiden Länder führen sehr viele Produkte aus der Bundesrepublik ein und sind mit den Niederlanden durch die Bene lux–Abkommen verbunden. Ein zu großer Abstand zwischen ihrer Währung und derjenigen der Partnerländer hätte die Inflation in ihren Ländern angeheizt. Auch Dänemark und Irland hatten - wohl mehr aus politischen als aus wirtschaftlichen Gründen - eine Zwischenstellung für ihre Währung gefordert. Sie konnten ihre Positionen jedoch nicht durchsetzen, insbesondere weil Frankreich und Italien sich weigerten, isoliert als Länder mit schwacher Währung dazustehen. Das Brüsseler Abkommen wird nach Ansicht der Finanzminister einen Schlußstrich unter die Spekulationen ziehen, durch die die Paritätenänderung im EWS nötig wurde, denn „objektive Gründe“ dafür gab es nach Ansicht der europäischen Finanzexperten nicht. Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg erklärte nach der Sitzung vor der Presse, gegen die in den letzten Tagen ausgebrochene Spekulation habe etwas getan werden müssen, die wirtschaftlichen Gegebenheiten allein hätten keine Paritätenänderung erfordert. Stoltenberg stellte mit Befriedigung fest, daß die dreiprozentige Aufwertung der D–Mark gegenüber dem französischen Franc schon vor dem Ministertreffen beschlossen war. Bei dem Treffen in Brüssel hätten die Finanzminister „kein Rezept gegen die Dollar– Baisse“ gefunden, die in den letzten Wochen den Kapitalandrang auf dem deutschen Markt verursacht habe. Stoltenberg zufolge wurde über dieses Thema aber auch „nicht wirklich“ gesprochen. Der französische Wirtschafts– und Finanzminister Edouard Balladur erklärte sich „voll und ganz zufrieden“ mit den Brüsseler Maßnahmen. „Wie vorausgesehen und wie gewollt“ sei der französische Franc nicht abgewertet worden. Frankreich müsse noch entschlossener auf dem eingeschlagenen und von den Partnern geschätzten Weg weitergehen: Kampf gegen die Inflation, Verringerung der Defizite, Erhöhung der Investitionen, Arbeitsplatzbeschaffung und Erneuerung. Die leichte Aufwertung der Währungen der Bundesrepublik, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs werde einer zu starken Spekulation Einhalt gebieten. „Das Ergebnis ist im ganzen gut“, betonte er. Auf Fragen nach den Zinssätzen in Europa - Frankreich hält seit einiger Zeit die Zinssätze in der Bundesrepublik für zu hoch - meinte Balladur, das Thema sei erwähnt worden, man sei aber nicht zu Schlußfolgerungen gelangt. Da die Bundesregierung hierzu negativ steht, dürfte dieses Thema in Zukunft für neue Kontroversen sorgen. Ebenso vertagt wurden Erörterungen über eventuelle Folgen der Wechselkursänderungen auf den Agrarsektor. Bei der Agrarpreisrunde steht damit die Frage nach neuen Grenzausgleichsabgaben auf der Tagesordnung. Mit der Aufwertung der D– Mark nun doch noch vor der Bundestagswahl dürften die Währungspolitischen Turbulenzen jedoch nicht allgemein überwunden sein. Der Verfall des Dollar–Kurses wurde letztlich für die Spekulationswelle verantwortlich gemacht, und diese Tendenz besteht weiterhin.
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