: K O M M E N T A R Strategische Heilung
■ Sowjetische Wissenschaftler in Hiroshima
Die Reise sowjetischer Wissenschaftler nach Hiroshima, die dort die Behandlung von Strahlenopfern studieren, weist auf weit mehr hin als nur auf die Tatsache, daß der Super–GAU in Tschernobyl und die „Rekonstruktionsarbeiten“ am Katastrophenreaktor Menschenopfer gekostet hat und in den folgenden Jahrzehnten, wie der Atombombenschlag der Amerikaner gegen das japanische Kaiserreich, weitere Menschenleben kosten wird. Begrüßenswert ist, daß die Sowjets sich überhaupt ausländische Hilfe organisieren und die Tschernobyl– Opfer nicht wie Aussätzige vor der Öffentlichkeit verbergen und ihrem Schicksal überlassen. Die Reise ist aber auch ein Beleg dafür, daß die von Atomlobbyisten immer wieder beschworene Trennung von ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft eine Fata Morgana ist, die allen Völkern der Welt so trefflich vorgespiegelt wird. Sei es nun in der BRD mit d westdeutschen und westeuropäischen Zulieferern unternehmen, um zu verschleiern, daß in jenen Ländern eine militärische atomare Infrastruktur aufgebaut wird. Den „zivilen“ Atomopfern aus der Ukraine kann offenbar nur mit den Erkenntnissen aus der Behandlung der „militärischen“ Atomopfer Hiroshimas geholfen werden. Bei den nächsten Opfern nach einem GAU in Indien, Frankreich, in den USA oder in der BRD wird aber schon wieder ein Schleier über dieser Erkenntnis liegen, denn dann hat man ja bereits gelernt; die Behandlung der Opfer der „friedlichen“ Nutzung der Atomenergie wird auf Erfahrungen zurückgreifen können. Aus Tschernobyl. Wer erinnert sich dann noch daran, daß Aufbau, Betrieb, Überwachung und auch die Schadens– und Opferbeseitigung friedlicher Atomnutzung nur mit militärischen Strategien bewältigt werden konnten? Der Chef der internationalen Atomenergiekommission Blix sicher nicht. Für den ist, wie er jüngst nach einem Besuch mitteilte, rund um Tschernobyl schon heute wieder alles in Ordnung. Raul Gersson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen