Gegen DM–Spekulation: Bundesbank senkt Zinsen

■ Treffen der fünf wichtigsten Industrieländer angepeilt / Dollarverfall gestoppt?

Von Ulli Kulke

Die Bundesbank hat gestern den Diskont– und den Lombardsatz um jeweils einen halben Prozentpunkt auf 3 bzw. 5 Prozent gesenkt. Außerdem senkte sie die Rediskont– Kontingente der Geschäftsbanken um 8 Milliarden DM und schraubte die Mindestreservesätze linear um 10 Damit verringerte sie einerseits die Zinsen, um die DM als Anlagewährung unattraktiver zu gestalten. Der Grund: Sie will Spekulationsgelder außer Landes schieben und so den DM–Kurs drücken, um die Exportwirtschaft zu erfreuen. Andererseits verknappte sie gleichzeitig die Geldversorgung der Banken, um die Inflationsgefahren zu dämpfen (siehe nebenstehenden Kasten). Die Leitzinssenkung ist somit rein außenwirtschaftlich motiviert und nicht zur Konjunkturankurbelung gedacht. In der Vergangenheit hatte es selten Zentralbanksitzungen gegeben, in deren Vorfeld ähnlich lautstarke und kontroverse Vorschläge seitens der Politiker und Wirtschaftsverbände zu hören waren. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, der sich von einer Zinssenkung eine Stärkung von Dollarkurs und somit eigener Exportchancen erhofft hatte, meinte am Mittwoch abend, die Bundesbank solle ihren Spielraum zur Diskontsenkung nutzen. SPD– Sprecher Apel sah in einer Leitzinssenkung eine Möglichkeit, nicht nur die abwärts laufende Konjunktur wieder umzuleiten, sondern auch die Neuverschuldung des Bundes zu begrenzen, da auf den Bund dann geringere Zinszahlungen zukämen. Für ein Regierungsmitglied ungewöhnlich, hatte Wirtschaftsminister Bangemann bereits am Dienstag lautstark eine Zinssenkung gefordert. In der Regel halten sich Kabinettsmitglieder hierbei öffentlich zurück, um den formal regierungsunabhängigen Charakter der Frankfurter Notenbank zu wahren. Die Banken wollten offenbar durchweg von niedrigen Zinsen nichts wissen. Sowohl der Präsident des Sparkassen– und Giroverbandes, Helmut Geiger, als auch der Volks– und Raiffeisenverband hatten vor der Zentralbankratssitzung vor einer Diskontsatzsenkung und Inflationsgefahren gewarnt. Geiger war der Ansicht, daß diejenigen Gelder, die in Erwartung auf einen höheren DM– Kurs (zum Dollar) in der BRD „geparkt“ worden seien, durch niedrigere Zinsen hierzulande nicht zu verdrängen seien. Dies sei auch in der letzten Dollarkrise 1979 nicht gelungen. Der Raiffeisenverband befürchtete, daß der Effekt allein schon deshalb nicht zu erzielen sei, weil Japan und die USA anläßlich ihrer neuerlichen Vereinbarung in der Zinssenkung nachzögen. Zwischen den Finanzministern dieser beiden Länder war es am Mittwoch abend in Washington zu einer Unterredung gekommen. Am Rande der Sitzung wurde publik, daß der japanische Diskontsatz am kommenden Dienstag um einen halben Prozentpunkt auf 2,5 Prozent gesenkt wird. Dieser Schritt dürfte mit dem japanischen Bemühen im Zusammenhang stehen, den Verfall des Dollarkurses gegenüber dem japanischen Yen abzubremsen. Er war zwischenzeitlich auf 150 Yen/Dollar abgesackt. Damit war eine Vereinbarung zwischen Japan und den USA hinfällig geworden, den Kurs bei 160 Yen zu halten. Tokio hatte in diesem Zusammenhang der Reagan–Regierung vorgeworfen, den Dollarverfall in Wirklichkeit gar nicht abbremsen zu wollen, um die eigenen Exporte anzukurbeln. Deshalb hatte die japanische Exportindustrie Druck auf ihre Regierung ausgeübt, in Washington vorstellig zu werden, um ihre Wettbewerbschancen auf dem Dollar–Weltmarkt zu wahren. Beobachter gehen davon aus, daß beim jetzigen Washingtoner Treffen zwischen Baker und Miyazawa erneut die 160–Yen– Marge angepeilt wurde. Beide Finanzminister verabschiedeten auch eine Erklärung, in der die anderen Industrienationen zu engerer währungspolitischer Zusammenarbeit aufgefordert werden. Am Wochenbeginn hatte die japanische Regierung ein erneutes Treffen der „G–5“–Staatengruppe vorgeschlagen, bestehend aus den USA, Japan, der Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien. Die G–5 hatte schon einmal, 1985, einen spektakulären Beschluß gefaßt, der auch zunächst eingelöst wurde: Während des Dollar–Höhenfluges war hier seine „sanfte Landung“ auf einem realistischen Kursniveau beschlossen worden. Inzwischen droht die Landung jedoch in einen Absturz zu entgleiten. Siehe auch Kommentar auf Seite 4