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Nicaragua: Klage gegen Notstand

■ Konservative und linke Abgeordnete marschierten gemeinsam zum Obersten Gerichtshof und legten eine Verfassungsbeschwerde ein / Präsident Ortega soll seine Befugnisse überschritten haben

Aus Managua Ralf Leonhard

Vier parlamentarische Oppositionsparteien stellten Montag die neue Verfassung, die am 9. Januar in Kraft getreten ist, auf die erste Probe, als sie beim Obersten Gerichtshof Verfassungsbeschwerde gegen das Notstandsdekret einlegten. Das Dekret, von Präsident Ortega unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Grundgesetzes verkündet, suspendiert 13 Artikel dieser Verfassung ganz oder teilsweise, darunter die Unverletzlichkeit des Hauses und der Korrespondenz, den Schutz vor ungerechter Verhaftung, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Freizügigkeit sowie das Streikrecht. Artikel 185 der Verfassung sieht vor, daß der Präsident „im Kriegsfall, wenn es die nationale Sicherheit oder die wirtschaftlichen Umstände erfordern oder im Katastrophenfall“ den nationalen Notstand verhängen kann. „Die näheren Umstände“, so heißt es, sollen aber in einem „Notstandsgesetz geregelt werden.“ Dieses Gesetz gibt es noch nicht. Daher, so argumentieren die Oppositionellen, habe Ortega seine Befugnisse überschritten. Etwa hundert Abgeordnete und Funktionäre der Unabhängigen Liberalen Partei (PLI), der Sozialchristlichen Volkspartei (PPSC), der Kommunistischen Partei (PCdN) und der Sozialistischen Partei (PSN) marschierten Montag zum Obersten Gerichtshof und reichten Verfassungsbeschwerde ein. Laut Art. 187 der Verfassung steht diese jedem Staatsbürger ge gen verfassungswidrige Gesetze und Dekrete zu. Die Mehrheit der jetzt gegen den Ausnahmezustand opponierenden Parteien hatte erst vor wenigen Wochen für die Verfassung gestimmt. Die Parteichefs hatten vergeblich um Vorsprache bei Präsident Ortega ersucht. Die Beibehaltung des Notstandes sei unerläßlich, hatte Ortega am 9. Januar argumentiert, weil die Aggression der USA gegen Nicaragua anhalte. „Die Einschränkungen schaden aber nicht der Contra, sondern den zivilen Kräften“, wetterte KP–Generalsekretär Eli Altamirano vor dem Obersten Gerichtshof. Ein Sprecher des Oppositionsblocks erklärte, daß sie eine Entscheidung noch vor Ende des nächsten Monats erwarteten.

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