P O R T R A I T „Die Revolution im Himmel machen“

■ Die Sozialistin Clara Thalmann starb in ihrer Landkommune bei Nizza / Sie kämpfte für den Widerstand in Paris und gegen Franco / Vorbild für Alternative und Antiautoritäre

Sie bedauerte in ihrem Leben nie etwas. Clara Thalmann, die in der Nacht zum Dienstag in ihrem Haus bei Nizza nach langem Krebsleiden starb, ist wohl eine der letzten Persönlichkeiten, die in der Arbeiterbewegung dieses Jahrhunderts alles mitgemacht, alles erfahren, alle kennengelernt und nie resigniert haben. Ihre Niederlagen sind auch die eines humanitären Anarchismus und Sozialismus, doch die persönliche Kraft und Spontaneität der 1908 geborenen Baslerin sprühte noch in hohem Alter förmlich aus ihr heraus. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie mit zehn Geschwistern war es für Clara schon als Kind und Jugendliche klar, sich politisch zu engagieren. Doch schon mit 17 verließ sie die heimische Enge und wurde Mitarbeiterin in der kommunistischen Zeitung LHumanite in Paris. Als die meisten von uns noch nicht geboren waren, versteckte Clara zusammen mit ihrem Mann und Mitkämpfer Pavel jüdische Mitbürger während der Nazibesatzung in Paris. Als in Deutschland 1936 die Olympiade stattfand, fuhr Clara zur anarchistischen Arbeiterolympiade nach Barcelona. Als dort die Arbeiter gegen den Putsch Francos revoltierten, fand man Clara in den Schütz erst durch Intervention der Sozialistischen Internationale im Herbst 1937 wieder das Geheimgefängnis von Valencia verlassen. In den fünfziger Jahren nahmen Clara und Pavel mit der Gründung einer Landkommune in den Bergen über Nizza die Alternativbewegung vorweg. Die „Serena“ wurde für viele Linke aus allen Erdteilen zu einem Treffpunkt, wo es alles gab: Diskussionen, Arbeit, Liebesgeschichten und Enttäuschungen, aber vor allem viel Spaß. Nach dem Tod Pavels im Frühjahr 1980 wollte sich Clara eigentlich mehr zurückziehen. Doch die Freunde kamen weiter, Interviews mußte sie geben, die Medienkooperative Freiburg machte mit ihr und Augustin Souchy einen Film über Spanien - dem geliebten Land. Spanien und die Erfahrungen mit der Revolution haben Clara am meisten geprägt. Stalinismus, Trotzkismus und Sozialdemokratie wurden seither von ihr streng kritisiert. Clara führte niemals ein Leben mit Versicherung, Rentenanspruch oder Besitzdenken. „Ich werde die Revolution im Himmel machen“, sagte sie vor ihrem Tod. Alle, die sie kannten, werden mit Trauer und Schmerz ihren Maßstab am Leben zum Vorbild haben. Erich Rathfelder