: Wie der Strom in die Steckdose kommt
■ Energieverbrauch stagniert, Energiewirtschaft floriert / Acht Unternehmen beherrschen den Markt, zu allererst: RWE / Atom hat Kohle abgelöst
Von Lutz Mez
Der Energieverbrauch in der Bundesrepublik stagniert seit geraumer Zeit. In den letzten zehn Jahren gab es größere Veränderungen nur bei Öl und Atomenergie. Der Ölanteil nahm um rund zehn und der Atomstromanteil um etwa acht Prozent zu. Wichtigster Energieträger ist mit 43,3 das Öl. Erdöl und Stromimport haben gegenüber 1985 leicht zugenommen, Kohle, Erdgas und Atomenergie sind etwas zurückgegangen. Momentan bestreiten alle Industrieländer ihr Energieaufkommen im wesentlichen aus Öl, Kohle, Gas und Wasserkraft. Einige - vor allem die großen Industrienationen - setzen zusätzlich auch Atomkraft ein. Der Anteil dieser Energieträger am Energie–Gesamtverbrauch ist in jedem Land verschieden hoch. Sonstige Energieträger wie Müll, Holz, Stroh, aber auch Erdwärme, Sonne und Wind sind bei diesen Ländern bisher kaum zu finden. Auf der Konzernebene läßt sich die Entwicklung in der BRD wie folgt skizzieren: Beim Öl sind fast nur ausländische Konzerne aktiv. 1986 wurden 67 Mio. Tonnen Rohöl importiert. Mit Abstand größtes Lieferland war mit 18,5 Mio. Tonnen Großbritannien. Es folgen Nigeria mit 9,7 Mio., Saudi–Arabien mit 7,3 und Libyen mit 6,7 Mio. Tonnen. Der Markt ist in den Händen der Ölmultis. Von den „Sieben Schwestern“ hat keine einen deutschen Paß. Folglich wird knapp die Hälfte des deutschen Energieaufkommens von den Verwertungs– und Profitinteressen dieser Multis bestimmt. Die Energiepolitik im Ölbereich hängt ferner vom Dollarkurs ab, weil dieser die Höhe der bundesre publikanischen Ölrechnung bestimmt. Braunkohle wird fast zu 90% verstromt - das Rheinisch–Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) und die Buschhaus–Betreiberin BKB sind hier inzwischen allein auf weiter Flur. RWE erklärt den Rückgang mit Produktionsausfällen durch den Einbau von Entschwefelungsanlagen in die Braunkohlekraftwerke. Das stimmt nur zum Teil. Ursache ist vor allem, daß der RWE–Stromabsatz zurückgeht und daß inzwischen fünf AKWs für RWE im Grundlastbereich arbeiten. Bei der RWE–Tochter Rheinbraun zirkuliert das Gerücht, daß in den nächsten Jahren fast ein Drittel der 17.000 Arbeitsplätze wegfällt. Bei der BKB–Mutter PreussenElektra, die zum VEBA–Konzern gehört, besteht der Konflikt Atomstrom/Kohlestrom durch die unausgelasteten Kapazitäten der AKWs Grohnde, Brokdorf, Krümmel, Unterweser usw. ebenfalls. In den letzten zwei Jahren betrug der Atomstromanteil der PreussenElektra fast 70 Bei der Steinkohle ist die Ruhrkohle AG (RAG) der Hauptakteur. In der Bundesrepublik gibt es noch rd. 30 Kohlezechen mit etwa 164.000 Beschäftigten, die knapp 80 Mio. Tonnen Kohle fördern. 1986 erreicht der Absatz der RAG mit 55 Mio. Tonnen Kohle und Koks einen Tiefststand in der 17jährigen Geschichte des Unternehmens. Die Belegschaft wurde auf 112.600 Beschäftigte, die auch noch sechs Kurzarbeitertage verordnet bekamen, reduziert. Bis 1990 sollen weitere 7.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Eigentümer der RAG sind der ab März zur Privatisierung anstehende VEBA–Konzern und VEW, die über VEBA–Kraftwerke Ruhr und STEAG Steinkohlestrom produzieren und beziehen. An der STEAG ist als weiteres Energieversorgungs–Unternehmen (EVU) die RWE beteiligt. Die Energiepolitik besteht bei der Steinkohle aus dem sog. „Jahrhundertvertrag“ zwischen Bergbau und Energiewirtschaft, der die Kohleverstromung bis in die Mitte der neunziger Jahre sichern soll. Die Stagnation beim Stromverbrauch hat zur Folge, daß auch die Kohleförderung keine Steigerung erfährt. Als staatliches Instrument existiert noch der „Kohlepfennig“. Das sind jährlich fünf Mrd. DM Subventionen für die Steinkohleverstromung, die von den Stromkunden mit der Stromrechnung zu bezahlen sind. Der Erdgasanteil wird in den nächsten 40 Jahren vor allem von den sowjetischen Liefermengen bestimmt, die von der RAG–Tochter Ruhrgas und anderen EVU– Töchtern verkauft werden. Die enge Verflechtung zwischen Stromverteilern und Gasverteilern in der Bundesrepublik ist mehr als bedenklich. Beispielsweise setzt der Stromkonzern VEW in seinem Verteilungsgebiet mehr Gas als Strom um. Dem Stromsektor kommt für die Energieversorgung fast entscheidende Bedeutung zu. Mehr als 30 Atomenergie mit einem Anteil von etwa 33 Braunkohle. Mit Abstand größter EVU ist RWE, gefolgt von PreussenElektra, Bayernwerk und VEW. Diese und weitere vier - also nur acht EVUs - kontrollieren über 90 Deutschen Verbundgesellschaft e.V. organisiert, und herrschen über Gebietsmonopole. Sie bestimmen, wann und wo welches Kraftwerk gebaut wird, und lassen sich dabei natürlich von ihrem Kapitalinteresse leiten. Wenn durch Umweltschutzinvestitionen schneller Profit zu machen ist, dann werden auch in diesen Bereich 20 Mrd. DM investiert. Die Stromkunden müssen über den Strompreis eh alles bezahlen. Die Monopolstellung der EVUs wird durch die staatliche Investitions– und Preisaufsicht bisher kaum angetastet. Am Atomstrom sind vor allem jene EVUs interessiert, die über keine eigenen Energieträger verfügen. Bayernwerk, EVS und Badenwerk haben somit am Ausstieg aus der Atomkraft keinerlei Interesse, weil sie durch den Bau von AKWs „Unabhängigkeit“ erreicht zu haben glauben. Der Uranmarkt in der BRD wird wiederum von RWE und KWU dominiert. Fazit: Die Energiepolitik in der Bundesrepublik wird weitgehend vom RWE bestimmt.RWE verfügt über fast die gesamte Braunkohle, hat bei Steinkohle, Erdgas und Öl wichtige Beteiligungen und produziert den meisten Atomstrom im Land. Im Uran– und Plutonium–Management dominiert der RWE–Konzern ebenso wie bei Anreicherung, Wiederaufarbeitung und Atomforschung. Es ist also auch für die zukünftige Energiepolitik entscheidend, auf welche Energieträger RWE setzt. Lutz Mez arbeitet an der Forschungsstelle für Umweltpolitik, FU Berlin.
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